Fußball Wie Uerdinger und Grazer Fans zu Freunden wurden
Krefeld · Beide Vereine verbindet eine ähnliche Historie. Das begeht aber nur ein Teil der Sympathien.
Uerdingen und Graz verbindet auf den ersten Blick eigentlich nicht viel. Auf der einen Seite der Krefelder Stadtteil mit knapp 18 000 Einwohnern, auf der anderen Seite die Landeshauptstadt der Steiermark, die rund 16 Mal so viele Menschen beheimatet. Über 800 Kilometer Luftlinie liegen zwischen den beiden Orten, fährt man die Strecke mit dem Auto, können da ganz locker zehn bis zwölf Stunden zusammenkommen. Besonders mit Letzterem kennt sich der Krefelder Tim Finke bestens aus. Die Reise von Uerdingen nach Graz hat der 28-Jährige bereits mehrfach gemacht. Ob mit dem Flugzeug oder eben per Zwölf-Stunden-Autofahrt. Doch neben der Grazer Altstadt, dem Schlossberg oder dem Dom steht für Finke und seine Kumpels vor allem eines im Zentrum der Reise – Fußball. Den KFC Uerdingen und den Grazer AK verbindet seit einigen Jahren eine echte Fanfreundschaft.
Teile der aktiven Fanszene beider Klubs sind gut befreundet, besuchen einander regelmäßig und fahren sogar gemeinsam in den Urlaub. Finke erklärt: „Wir sind vom Charakter her alle relativ ähnlich. Ich glaube, wir sind einfach alle ein bisschen Banane im Kopf, aber deswegen passen wir so gut zusammen.“
Besonders bei den aktiven Fußballfans aus aller Welt gehören Fanfreundschaften mittlerweile zum Standard. Ob Dortmund und Köln, Schalke und Nürnberg, Bayern und Bochum oder neuerdings auch Mönchengladbach und Union Berlin – alle pflegen sie ein freundschaftliches Verhältnis, planen gemeinsame Besuche oder Choreos beim Aufeinandertreffen beider Klubs.
Dass es zwischen dem KFC Uerdingen und dem Grazer AK in Zukunft zu einem Duell auf sportlicher Ebene kommt, ist eher unwahrscheinlich. Dabei ähneln sich die Geschichten beider Vereine. Vom nationalen Top-Klub rutschten beide herunter in die Niederungen des Amateurfußballs, stets begleitet von permanenten Geldsorgen. Doch wie auch der KFC kämpft sich auch der Traditionsklub aus Graz wieder zurück in den bezahlten Fußball. 2004 wurde der GAK erstmals österreichischer Meister und Pokalsieger, nur knapp zwei Jahre später musste dann allerdings die erste Insolvenz beantragt werden. Später folgten weitere Konkursanträge, die letztendlich zur Einstellung des Spielbetriebes führten. Während der ungeliebte Stadtrivale, Sturm Graz, immer erfolgreicher wurde, gründeten einige Mitglieder des GAK den Nachfolgeverein, der dann in der Saison 2013/14 wieder in der 8. Liga an den Start ging. Es folgten sechs Meisterschaften in Serie und der Durchmarsch zurück in die zweite Liga. „Die Freundschaft ist jetzt nicht bewusst deswegen entstanden, aber so etwas verbindet einen dann schon“, sagt Finke, der damals die Freundschaft angestoßen hat.
Unabhängig von Fußball-Themen lernte der Krefelder den Grazer Michael Brunner vor rund 13 Jahren in einem Internet-Forum kennen. Schnell wurden beide Freunde, mit 16 Jahren flog Finke dann zum ersten Mal für ein Wochenende nach Österreich und machte dort Bekanntschaft mit weiteren Leuten aus der Fanszene des Grazer AK. Vor gut zehn Jahren kamen dann auch erstmals die Grazer zum KFC, besuchten in der Niederrheinliga das Spiel gegen Union Solingen.
Aus einem kleinen Kreis entwickelte sich eine Fanfreundschaft, der mittlerweile mehrere hundert Leute angehören und die sich im Kern längst nicht nur auf den Fußball beschränkt. Finke: „Wir kommen teilweise zu Geburtstagen oder fahren zusammen in den Urlaub. Es haben sich dicke Freundschaften entwickelt.“ Im vergangenen Jahr feierten beide zehn Jahre Fanfreundschaft, mieteten sich nach dem Drittliga-Spiel gegen Hansa Rostock noch eine Kneipe in Krefeld und ließen es ordentlich krachen. Auch für die Zukunft sind gemeinsame Besuche fest eingeplant, die für Finke den Kern der außergewöhnlichen Freundschaft ausmachen. „Man sieht einfach Städte und Stadien, zu denen man sonst nie hinfahren würde. Erst vor kurzer Zeit waren wir mit den Grazer Jungs in Innsbruck, das war einfach ein Traum.“
Und so verbindet die beiden Städte trotz der beachtlichen Entfernung eine ganze Menge. Über zehn Jahre pflegen die Gruppen nun eine Freundschaft, die nächsten zehn Jahre werden mit Sicherheit folgen.