Länderspiel Deutschland – Peru Der Lokalmatador macht’s

Sinsheim · Die deutsche Nationalmannschaft zeigt gegen Peru Licht und Schatten ihrer Neuausrichtung, gewinnt aber dank Nico Schulz nicht unverdient mit 2:1

Nico Schulz schoss das 2:1.

Foto: dpa/Arne Dedert

Der freie Blick aufs Spielfeld war für Joachim Löw anfangs irgendwie verstellt. Eine große Menschentraube an Fotografen scharte sich zunächst in der Rhein-Neckar-Arena von Sinsheim um den Bundestrainer, der mit seinem 167. Einsatz als Chefcoach eine uralte Rekordmarke von Sepp Herberger egalisiert. Dass zur Feier des Tages im Freundschaftsspiel gegen Peru (2:1) sein 109. Sieg heraussprang, dürfte den Südbadener nach den langen Grundsatzdebatten infolge des WM-Desasters freuen und in seiner neuen Ausrichtung bestärken.

Die deutsche Nationalmannschaft hat auch mit dem zweiten Auftritt zarte Anzeichen der Besserung ausgesandt. Zum Siegbringer avancierte ausgerechnet Lokalmatador Nico Schulz, der sein Debüt mit dem Siegtreffer krönte, allerdings von einem krassen Torwartfehler profitierte – Keeper Pedro David Gallese ließ den eigentlich harmlosen Ball einfach durchrutschen (84.). Insgesamt bot die deutsche Elf indes wieder eine engagierte Leistung und glich den Rückstand durch Luis Advincula (22.) durch Julian Brandt (25.) aus. Lange war an diesem milden Sommerabend die mangelhafte Chancenverwertung das Manko des ansonsten teilweise ansehnlich kombinierenden Löw-Ensembles.

Nach zwei Minuten hätte Werner die deutsche Führung erzielen können

An der A6 gegenüber vom Technik Museum ging es ferner um den Nachweis, dass die DFB-Auswahl nach fünf Veränderungen die Spannung hält. Marc-Andre ter Stegen hütete für Manuel Neuer das Tor, Niklas Süle verteidigte für Klubkollege Mats Hummels, Nico Schulz debütierte für Antonio Rüdiger, Ilkay Gündogan spielte für Leon Gotetzka und Julian Brandt stürmte für Thomas Müller.

Kai Havertz machte gegen Peru sein Debut.

Foto: dpa/Daniel Maurer

Gleich nach zwei Minuten hätte Werner nach Zuspiel von Gündogan schon die deutsche Führung erzielen können, scheiterte aber am anfangs tadellosen Gallese, der auch einen Kopfball von Matthias Ginter irgendwie zu fassen bekam (13.). Nachdem Marco Reus ein Zuspiel von Werner ungenutzt ließ (20.), passierte auf der Gegenseite das, was passieren musste: Beim ersten Gäste-Konter ließ sich Debütant Schulz auf seiner Stammposition viel zu leicht überrumpeln und Advincula überraschte ter Stegen mit einem Schuss ins kurze Eck. Doch der 25 Jahre alte Linksverteidiger der TSG Hoffenheim wusste sich im weiteren Spielverlauf defensiv zu steigern – und offensiv setzte er schlussendlich aus der Distanz den siegbringenden Akzent.

Gut auch, dass der deutsche Schock über das durch das schlechte Abwehrverhalten begünstigte 0:1 nur kurz währte: Nach einer Pressingsituation passte Toni Kroos auf Brandt, der mit einem überlegten Lupfer zum 1:1 viel Übersicht bewies. Vor allem die Offensive kam in dem 4-3-3-System besser als gegen Frankreich zu Geltung, was neben dem erneut umsichtigen Ballverteiler Joshua Kimmich und den fleißigen Kroos auch am spielfreudigen Gündogan lag, der mit seinem Steckpass auf Werner eine weitere Chance vorbereite (33.), ehe der 27-Jährige selbst an Gallese scheiterte (38.). Dass der Mittelfeldmann von Manchester City den Ballast der Erdogan-Affäre abgeschüttelt hat, war offenkundig. Ihm kam vor Anpfiff auch die Nationalhymne locker über die Lippen – und bei seiner Auswechslung setzte es warmen Beifall.

Die nächsten Länderspiele werden kommenden Monat wieder im halben Wettkampfmodus geführt

Zur zweiten Halbzeit brachte Löw zugleich Antonio Rüdiger für Jerome Boateng und Julian Draxler für Reus. Die 25.494 Besucher in der ausverkauften Arena – darunter mindestens 2500 peruanische Anhänger – mussten sich allerdings ein bisschen gedulden, ehe sich die nächsten Möglichkeiten boten. Erst wehrte ter Stegen einen Kopfball von Pedro Aquino bravourös ab (54.), dann vergab Werner nach einem von Brandt initiierten Gegenzug die deutsche Führung (55.).

Nun glich die Begegnung zeitweise einem offenen Schlagabtausch: Der starke Ex-Schalker Jefferson Farfan hatte das 1:2 auf dem Fuß, hob die Kunststoffkugel jedoch über die Latte (58.). Insgesamt unterstrichen die technisch veranlagten Südamerikaner, warum sie in der Fifa-Weltranglisten auf Platz 20 geführt werden und vor Italien, USA und Österreich stehen. Die Schlussphase geriet eingedenk weiterer Wechsel nicht mehr ganz so spektakulär. Immerhin durfte auch noch Thilo Kehrer (Paris St. Germain) und Kai Havertz (Bayer Leverkusen) als Neuling Nummer 98 und 99 der Löw-Ära hineinschnuppern.

Die nächsten Länderspiele werden kommenden Monat wieder im halben Wettkampfmodus geführt: In der Nations League spielt die deutsche Mannschaft erst auswärts in Amsterdam gegen die Niederlande (13. Oktober) und anschließend in Paris beim Weltmeister Frankreich (16. Oktober). Ein weiterer Lackmustest für Widerstands- und Lernfähigkeit des Löw-Ensembles.