Löw als Personalmanager: Gratwanderung vor Spanien-Duell
Berlin (dpa) - Lorbeerblatt vom Bundespräsidenten, FIFA-Ehrung und Roter Teppich am Potsdamer Platz: Die letzte Dienstreise im WM-Jahr von Joachim Löw und seinen Titelhelden beginnt mit einem Gala-Tag in Berlin.
Vor dem kollektiven Schwelgen in Erinnerungen an den glorreichen Brasilien-Sommer ist der Bundestrainer aber schon wieder als Personalmanager gefragt. Am Freitag benennt Löw den Kader für die letzten beiden Länderspiele 2014 und die Situation hat sich vor dem Premierenduell in der EM-Qualifikation gegen Gibraltar in Nürnberg (14.11.) und dem abschließenden Test bei Ex-Champion Spanien (18.11.) nicht entscheidend entspannt.
Die Weltmeister Sami Khedira und Benedikt Höwedes kehren wie Marco Reus nach ausgestandenen Verletzungen zwar zurück. Dafür meldeten sich Mats Hummels (Knöchel) und Julian Draxler (Oberschenkel) mit langwierigen Blessuren ab. Weiterhin fehlen Kapitän Bastian Schweinsteiger, der kurz vor einem Club-Comeback stehen soll, und Mesut Özil. Ob Mario Gomez nach seinem ersten Kurzeinsatz für den AC Florenz schon wieder für DFB-tauglich befunden wird, ist äußerst fraglich.
Löw muss bei seiner Kaderauswahl zudem auf manche Befindlichkeiten der Vereine achten - eine Gratwanderung zwischen eigenen Interessen und denen der Top-Clubs. „Diese Partien bieten die Gelegenheit, einigen viel belasteten Spielern eine Pause zu geben“, hatte Löw schon nach den Enttäuschungen in der EM-Qualifikation im Oktober gegen Polen (0:2) und Irland (1:1) mögliche Wechselspiele im Fußball-Nationalteam angekündigt.
Mit einer B-Elf kann und will der DFB-Chefcoach aber weder gegen den großen Underdog aus Gibraltar die obligatorischen drei Punkte auf dem Weg zur EM 2016 holen, noch beim psychologisch wichtigeren Aufeinandertreffen mit dem entthronten Weltchampion Spanien in Vigo auflaufen.
Wahrscheinlich wird Löw im Gegensatz zu den Oktober-Terminen, als er 20 Akteure berief und nach einigen Absagen zwischenzeitlich mit nur noch 14 Feldspielern trainieren konnte, wieder die volle Kadergröße von 23 Profis nominieren. Nach dem Gibraltar-Spiel in Nürnberg dürften einige vom Kurz-Trip in die im November nasskalte Provinz Pontevedra im Nordwesten Spaniens befreit werden.
Ein Kandidat für eine schöpferische Pause wäre Torwart Manuel Neuer, obwohl dieser bekanntermaßen wenig von solchen Auszeiten hält. Torwartcoach Andreas Köpke hatte schon angekündigt, einem Schlussmann aus dem großen Kandidatenpool um die U21-Keeper Marc-André ter Stegen und Bernd Leno eine Chance zum Vorspielen bieten zu wollen.
Löws Auswahl wird manchen Fingerzeit bieten, wem der 54-Jährige das Potenzial bescheinigt, eine Alternative für den Weg zur EM nach Frankreich zu sein. Potenzielle Rückkehrer sind die Zwillinge Lars und Sven Bender, die ihr WM-Aus verarbeitet haben und in der Champions League für Leverkusen und Dortmund gute Noten erhielten.
Auch Kevin Großkreutz, der im Oktober als einziger weder verletzter noch zurückgetretener Weltmeister keine Einladung bekommen hatte, könnte wieder zum Aufgebot gehören. Abzuwarten bleibt, inwiefern Löw auf den Höhenflug von Mönchengladbach reagiert und nach Christoph Kramer und Max Kruse weitere Borussen wie Patrick Herrmann, André Hahn, Tony Jantschke oder Nachwuchsmann Julian Korb ins A-Team zurückholt oder befördert.
Vor der ersten Trainingseinheit am kommenden Dienstag auf dem Amateurplatz von Hertha BSC steht ein Party-Montag als Reminiszenz an die Weltmeister an - zu dem auch die Ex-Nationalspieler Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker für einen Tag im feinen Zwirn in den DFB-Kreis zurückkehren. Bundespräsident Joachim Gauck verleiht das Silberne Lorbeerblatt. Wenige Stunden später überreicht die FIFA vor der Premiere des verbandseigenen WM-Films „Die Mannschaft“ das offizielle Titel-Abzeichen.