Analyse des WM-Debakels Löws nächste Wegmarken: Erst neue Nationenliga, dann EM 2020
München (dpa) - Zwei Monate nach seinen schwersten Stunden als Fußball-Bundestrainer tritt Joachim Löw in München zum Neustart mit der deutschen Nationalmannschaft an.
In der Allianz Arena wird der 58-Jährige zur Mittagszeit gemeinsam mit Teammanager Oliver Bierhoff die Analyse des deutschen WM-Debakels präsentieren. Vor allem aber wird Löw bei einer Pressekonferenz die Spieler benennen, mit denen er am 6. September in München in der neuen Nationenliga gegen Weltmeister Frankreich sowie drei Tage später in Sinsheim beim Test gegen Peru einen Stimmungsumschwung im Lande erzeugen will. Löw braucht schnell wieder Erfolge, um zu zeigen, dass er auch nach dem Vorrunden-Aus in Russland weiter der richtige Trainer für die wichtigste deutsche Fußball-Mannschaft ist.
RÜCKBLICK: Am 27. Juni 2018 ist die historische WM-Blamage perfekt. Weltmeister Deutschland verliert in Kasan 0:2 gegen Südkorea und muss Russland als Gruppenletzter nach der Vorrunde verlassen. Auch Löw ist „geschockt“. Er vermeidet aber in dieser Gefühlslage einen sofortigen Schlussstrich. „Natürlich brauche ich jetzt ein paar Stunden. Wie es weitergeht, darüber muss man mal in Ruhe reden. Das ist jetzt zu früh. Ich muss mich erstmal sammeln.“ Zurück in Deutschland standen die Zeichen schnell auf Weitermachen. DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte den Vertrag mit dem Langzeit-Bundestrainer ohnehin erst kurz vor Turnierbeginn bis 2022 verlängert.
AUSBLICK: Die nächste Weltmeisterschaft in vier Jahren im Wüstenstaat Katar ist das neue Langzeitprojekt des Bundestrainers. Aber an sie müssen weder Löw noch die DFB-Entscheider um Grindel aktuell denken. Für den Bundestrainer stehen erst einmal andere Aufgaben und Ziele an, die darüber entscheiden werden, ob er nach den Endrunden 2006 in Deutschland (Platz drei als Assistent von Jürgen Klinsmann), 2010 in Südafrika (Platz 3), 2014 in Brasilien (Titelgewinn) und dem Flop in Russland überhaupt noch ein fünftes WM-Turnier als DFB-Coach erlebt.
NATIONENLIGA: Ein anfangs belächelter neuer Wettbewerb erhöht zusätzlich den Druck auf Löw und die Nationalspieler beim Neubeginn. Die Nationenliga verändert die Zeit zwischen den Turnieren. Es geht auch in der Saison nach der WM und vor der EM 2020 um eine Trophäe.
Die Nations League ist in vier Divisionen unterteilt. In Liga A treffen die bestplatzierten Teams der europäischen Rangliste aufeinander, darunter Deutschland. Jede Liga ist noch einmal in vier Gruppen gesplittet. Das DFB-Team trifft auf Weltmeister Frankreich und den Erzrivalen Niederlande. Als Gruppenerster würde die deutsche Elf im Juni 2019 bei einem Mini-Turnier mit den drei übrigen Siegern der Liga A den ersten Nations-League-Gewinner ausspielen. Platz drei hinter Frankreich und Holland hieße dagegen: Abstieg in Liga B!
Die anderen drei Gruppen der Top-Liga bilden: Europameister Portugal, Italien und Polen; Spanien, England und Kroatien; Belgien, Schweiz und Island. Löw erwartet damit ein heißer Herbst: Nach dem Start am 6. September in München gegen Frankreich stehen am 13. Oktober in Amsterdam gegen die Niederlande und drei Tage später in Paris gegen die Franzosen zwei Auswärtspartien an. Zum Gruppenfinale kommt es am 19. November in Gelsenkirchen beim Rückspiel gegen die Holländer.
EUROPAMEISTERSCHAFT 2020: Das nächste große Turnier ist die EM-Endrunde in zwei Jahren. Sie wird vom 12. Juni bis 12. Juli 2020 als Paneuropa-EM quer über den Kontinent in zwölf Spielorten von Dublin bis Baku ausgetragen. Gespielt wird auch in Deutschland: In München werden drei Gruppenspiele und ein Viertelfinale ausgetragen. Die Halbfinalspiele und das Endspiel finden in London statt.
Der EM-Titel reizt Löw. Bei drei Turnieren als Bundestrainer hat er ihn 2008 (Finale), 2012 (Halbfinale) und 2016 (Halbfinale) jeweils knapp verfehlt. Zunächst aber geht es in die Qualifikation. Am 2. Dezember werden in Dublin die Qualifikationsgruppen ausgelost. Von März bis November 2019 werden in zehn Gruppen mit jeweils fünf oder sechs Teams 20 EM-Teilnehmer ermittelt. Die verbleibenden vier Plätze werden in Playoffs vergeben, für die sich die Teams wiederum über die zuvor ausgespielte neue Nations League qualifizieren können.
PROGNOSE: Löw wird also sofort wieder positive Ergebnisse liefern müssen, um nach dem historischen WM-Debakel verlorenen Kredit gerade auch bei den Fans zurückzugewinnen. Die Nations League wird dabei zur ersten Prüfung, die EM 2020 zur entscheidenden Wegmarke Richtung WM 2022. Bayern-Präsident Uli Hoeneß drückte es salopp so aus: „Bis zur EM muss Joachim Löw die Mannschaft wieder in Schwung gebracht haben. Er wird jetzt hart arbeiten und sonst sagen: Arrivederci!“