Löws neue Zentrale: Kroos und Kramer bei WM gewachsen

Warschau (dpa) - Der letzte Auftritt im Warschauer Nationalstadion hatte gewaltiges Frustpotenzial - für Toni Kroos selbst und auch für Bundestrainer Joachim Löw. Geschichte. Nun kommen Kroos und Löw als Weltmeister in die Arena, in der sie 2012 das EM-Halbfinale gegen Italien verloren hatten.

Foto: dpa

„Es ist für uns einfach ein wichtiges Qualifikationsspiel. Alles andere ist abgehakt, spätestens mit dem Titel. Da haben wir bessere Erinnerungen“, erklärte der Mittelfeldmann von Real Madrid.

Kroos (24) ist inzwischen „von einem jungen, talentierten Spieler zum Mann, zum Stammspieler und absoluten Leistungsträger geworden“, urteilte Löw über den gebürtigen Greifswalder. Gegen Polen ist er nach den Ausfällen der zentralen Kräfte Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira und Mesut Özil der Mann, der das deutsche Spiel antreiben und dirigieren soll. An seiner Seite wird der Gladbacher Weltmeister Christoph Kramer erwartet, der Aufsteiger des Jahres im Löw-Team. „Kurz vor der WM war er für viele ein unbeschriebenes Blatt. Er hat dann sofort auf sich aufmerksam gemacht“, bemerkte der Münchner Thomas Müller respektvoll über Kramer.

Kroos und Kramer - beide sind durch den Triumph von Rio als Profi und Persönlichkeit gewachsen - wenn auch auf unterschiedliche Art. „Das, was jetzt passiert ist in einem guten Jahr, ist nicht einfach zu erklären und schwer zu realisieren“, sagte Jung-Nationalspieler Kramer. Bei Kroos, schon 53 Mal im Adler-Trikot auf dem Platz, hat Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff festgestellt: „Er hat bei der WM in Brasilien nochmal einen unglaublichen Schritt gemacht, den der eine oder andere Bayern-Verantwortliche vielleicht nicht erwartet hat. Man merkt eine große Reife bei ihm.“

25 bis 30 Millionen Euro hat Real für Kroos ausgegeben, der einstige Münchner fühlt sich sofort wohl beim „weißen Ballett“ in Madrid. „Toni Kroos ist die zentrale Figur bei Real, er hatte überhaupt keine Anlaufschwierigkeiten“, registrierte Löw. „Das Leben ist dort sehr schön. Ich fühle mich sehr wohl“, sagte Kroos selbst, der nur beim Spanisch Lernen noch ein bisschen Nachholbedarf hat. Auf dem Fußballplatz versteht der Neue sofort seine Kollegen. „Auch in schwierigen Phasen will er immer den Ball. Das sind die Zeichen, die eine Mannschaft auf dem Platz braucht“, sagte Bierhoff.

Kollege Kramer, dessen K.o. im WM-Finale gegen Argentinien (1:0) noch lange und ausführlich geschildert wurde, ist nach nur sieben Länderspielen verständlicherweise noch etwas vorsichtiger. „Es war schon eine Genugtuung und ein Karriereschritt, in der Bundesliga anzukommen. Es ging alles unheimlich rasant“, meinte der Shooting-Star: „Von mir aus kann es so weitergehen. Ich weiß natürlich auch, dass es sich auch schnell wieder umkehren kann. Man kann sicher noch schneller fallen.“

Seine Kollegen gehen nicht davon aus. „Er kommt immer mit 14 Kilometern daher pro Spiel, dazu kann er noch was mit dem Ball. Da muss man schon den Hut ziehen. Er hat einen unbändigen Willen. Solche Arbeiter sind für ein Team natürlich sehr wichtig“, lobte der in den Mannschaftsrat aufgestiegene Müller seinen Kollegen Kramer.

Ganz geht die enorme Belastung zwar auch am von Leverkusen an Gladbach ausgeliehenen Dauerläufer nicht vorbei. „Man darf sich das im Kopf nicht so klar machen. Der Kopf steuert die Beine. Es klappt ganz gut mit dem einreden, dass ich unglaublich fit bin“, meinte Kramer. Zur Sicherheit hat er noch die Glückskette seiner Freundin dabei - auch in Polen.