Mythos in neuem Gewand: Offenbach weiht Stadion ein
Offenbach (dpa) - Mit 130 Metern über Normalnull ist der Bieberer Berg nicht gerade imposant, und doch hat es die Erhebung in der Untermainebene zu großer Berühmtheit in der Fußballwelt gebracht - als Heimat der Offenbacher Kickers.
Die erstrahlt seit kurzem in neuem Gewand. Wo vor kurzem die alte Spielstätte des Drittligisten morbiden Charme versprühte, steht nun das Sparda-Bank-Hessen-Stadion. OFC-Geschäftsführer Thomas Kalt spricht von „einer neuen Ära“, für Offenbachs Oberbürgermeister Horst Schneider (SPD) ist eine „Vision wahr geworden“. Am 18. Juli folgt nun das Eröffnungsspiel gegen Bayer Leverkusen. Beide Clubs verbindet eine langjährige Fanfreundschaft.
Typisch englisch kommt die neue Arena daher, mit steilen Tribünen und geringen Abständen zwischen Spielfeld und Zuschauern. 20 500 Zuschauer passen in die neue Kickers-Heimat, darunter sind rund 10 000 Stehplätze. Der Bau, der Ende Juni abgeschlossen wurde, kostete 25 Millionen Euro. Zehn Millionen Euro trug das Land Hessen, jeweils fünf Millionen die Stadt, die Stadtwerke Offenbach Holding sowie der Namensgeber Sparda Bank Hessen.
Der Clou: Wie im alten Stadion bietet die Gegentribüne auf ganzer Länge Stehplätze. Hier tobt weiterhin der OFC-Fanblock, das war eine zentrale Forderung der Anhänger. Auf dass die Worte auf der neuen Haupttribüne im 111. Jahr der Clubgeschichte wahr bleiben: „Der Berg bebt“, steht da geschrieben.
Bei aller Freude empfinden viele in und um Offenbach auch Wehmut, denn der altehrwürdige Bieberer Berg ist endgültig Geschichte. Das Stadion, in dem einst Spieler wie Hermann Nuber, Siggi Held, Dieter Müller, Rudi Völler sowie Uwe Bein kickten und Otto Rehhagel coachte. Das Stadion, das im Frühjahr 1990 das knappe Aus im Pokalhalbfinale gegen Kaiserslautern erlebte, aber auch Tiefpunkte wie den Sturz in die Viertklassigkeit 1995. Der legendäre 6:0-Bundesligasieg des OFC gegen Bayern München im August 1974 fand jedoch im Frankfurter Waldstadion statt.
Letztes Highlight war im Herbst 2010 der Kickers-Sieg gegen Borussia Dortmund in der zweiten Runde des DFB-Pokals. Die letzte Zeit war dann eher von Frust geprägt. Der Verein verspielte 2011 den Aufstieg in die zweite Liga, auch dieses Jahr schaffte der Erzrivale der Frankfurter Eintracht nicht den Sprung ins Unterhaus.
Nun aber, mit dem neuen Stadion, sieht Kalt die wirtschaftliche Grundlage gelegt, um den Verein dauerhaft im Profifußball zu etablieren - dank zehn Logen und 800 Businessplätzen für zahlungskräftige Kunden. „Früher hatten wir nur die Zuschauer, die auf Tradition standen“, sagt er. „Jetzt können auch die kommen, die Modernes mögen.“
Während das alte Stadion pro Jahr rund 300 000 Euro gekostet habe, seien es nun 500 000 Euro. Dafür würden aber allein mit den zehn Logen etwa 430 000 Euro eingenommen, pro verkauftem Businesssitz könne mit rund 2000 Euro kalkuliert werden. „Hier ist aus meiner Sicht was Großes entstanden“, sagt Kalt.
Ein Hauch von großer Fußballwelt wird bereits am 14. August Einzug in die neue Arena halten, wenn die deutsche U 21-Nationalmannschaft hier gegen Argentinien antritt. Und so ganz verschwunden ist der alte Bieberer Berg ohnehin nicht: Im Treppenhaus der Haupttribüne erstrahlen die Lampen der alten Flutlichtmasten. Möglicherweise leuchten sie den Weg in eine bessere Zukunft.