Nach Löw-Lob kommt WM-Aus für Debütanten
Hamburg (dpa) - Dem fast schon überschwänglichen Lob des Bundestrainers folgten die bitteren Nachrichten. Schon als die zwölf Länderspiel-Neulinge nach dem größten Debütanten-Auflauf in der deutschen Länderspiel-Historie das Stadion verließen, war für fast alle von ihnen der Brasilien-Traum vorbei.
„Es hat mir persönlich viele Erkenntnisse gegeben, noch für die WM und für die Zukunft“, erklärte Joachim Löw in Hamburg, bevor er auf seiner bisher 30 Spieler umfassenden WM-Kaderliste die ersten Namen strich. Mario Gomez, René Adler und Max Kruse hatte er ohnehin schon aussortiert. Am 2. Juni muss sich der Chef der DFB-Titelmission auf seinen endgültigen 23-köpfigen WM-Kader festlegen.
„Wir wissen auf jeden Fall, dass wir auch in Zukunft auf interessante Spieler zurückgreifen können“, fasste Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff die wenigen Erkenntnisse aus einem seltsamen Länderspiel beim 0:0 gegen Polen zusammen. Eine solche Debütanten-Schar gab es noch nie - nicht einmal beim allerersten Länderspiel des DFB im Jahr 1908 gegen die Schweiz (5:3) hatten mehr Debütanten auf dem Platz gestanden, denn zu dieser Zeit mussten die elf aufgebotenen Akteure noch durchspielen. Auch der Schnitt der Startelf von 21,45 Jahren sprengte alle bisherigen Altersgrenzen. „Wir haben ja fast mit einer U 21-Mannschaft gespielt“, sagte der Schalker Julian Draxler, der in seinem elften Länderspiel als Kapitän auflaufen durfte.
„Es ist natürlich klar, das war nicht der WM-Auftakt“, gestand Löw, der die Partie gegen eine ebenfalls nur zweitklassig besetzte polnische Mannschaft aber nochmals verteidigte. „Mir hat das Spiel auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht. Ich fand, es war ein unterhaltsames Spiel mit sehr hoher Intensität“, meinte der Bundestrainer für einige der 37 569 Stadionbesucher doch überraschend. Bei den Frischlingen bleibt unabhängig aller WM-Gedanken auf jeden Fall der Stolz. „Ich freue mich einfach riesig, dass ich mein erstes Länderspiel gemacht habe. Ich bin jetzt offiziell Nationalspieler und die Gefühle sind einfach sehr schön“, erklärte der Augsburger André Hahn.
Den beiden Innenverteidigern Shkodran Mustafi (Sampdoria Genua) und Matthias Ginter (Freiburg) stellte Löw ebenso wie den Offensivkräften Max Meyer (Schalke) und Kevin Volland (Hoffenheim) für ihre Länderspiel-Premieren besonders gute Zeugnisse aus. „Die Mannschaft hat mutig und gut organisiert gespielt, war läuferisch sehr gut, hat viele Kilometer abgespult“, sagte Löw.
Für die endgültige Auswahl der dann nur noch 23 Brasilien-Fahrer will sich Löw „Zeit lassen“ - höchstwahrscheinlich bis zum Meldeschluss am 2. Juni um 24.00 Uhr. „Wir haben die Trainingseinheiten in Südtirol, einige Testspiele gegen die U 20, ein Spiel gegen Kamerun. Dann wird man die Gesamtsituation beurteilen. Wir werden versuchen, alle Positionen doppelt zu besetzen“, kündigte der DFB-Chefcoach nach dem Hamburger Vorbereitungs-Auftakt an, der mit der Brasilien-Mission noch nicht viel zu tun hatte. „Die Mannschaft muss ausgewogen sein. Es ist wichtig, dass es Konkurrenzkampf gibt. Ich will sehen, dass die Spieler um die WM-Tickets kämpfen“, betonte Löw.
Dass die Zuschauer in Hamburg viel Geduld hatten und nur am Ende angesichts der wenigen Höhepunkte der Partie zart pfiffen, war schon bemerkenswert. „Ich glaube schon, dass das Publikum ein gutes Gespür gehabt hat für diese junge Mannschaft und zufrieden war. Ich kann mir nichts anderes vorstellen“, erklärte Löw.
Mit dem DFB-Pokalfinale in Berlin, wo sich am Samstag sieben WM-Kandidaten des FC Bayern und sechs des BVB begegnen, beginnt für den Bundestrainer die echte WM-Vorbereitung. Gemeinsam mit seinem Trainerstab wird er im Olympiastadion überprüfen, ob seine beiden wichtigsten Team-Fraktionen seine Vorgaben umsetzen. „Ich möchte da schon von allen sehen, dass sie diese Titelchance unbedingt wahrnehmen wollen und um den Pokal fighten“, hatte Löw gefordert.
Am 21. Mai ist dann Treffpunkt im Passeiertal. „Da geht es richtig los“, sagte Bierhoff. Auch für Sami Khedira, der in Löws WM-Plänen eine herausragende Stellung einnimmt. Nach seinem Comeback für Real Madrid sieht der Bundestrainer gute Chancen, seinen Mittelfeldorganisator trotz halbjähriger Verletzungspause noch rechtzeitig in Topform zu bringen. Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt hatte nochmals bestätigt, „dass Knie und Muskulatur absolut in Ordnung“ seien, berichtete Löw: „Ich glaube, dass wir einen Sami Khedira antreffen, der schon mit einer unglaublich guten Basis kommt.“