Niersbach - vom jovialen Funktionär zum Krisenmanager

Dortmund (dpa) - Vor lauter Kamerateams, Mikrofonen und Journalisten war Wolfgang Niersbach kaum noch zu sehen. Der Rundgang durch das neue Deutsche Fußballmuseum in Dortmund geriet für den DFB-Präsidenten fast zum Spießrutenlauf.

Foto: dpa

Es war der erste öffentliche Auftritt des 64-Jährigen, seit die Korruptionsvorwürfe um die Vergabe der WM 2006 wie eine Lawine über den Deutschen Fußball-Bund und Niersbach hereinbrachen.

Normalerweise war der PR-Termin wie gemalt für den Spitzenfunktionär: Joviale Plaudereien über die großen Stunden des deutschen Fußballs, so etwas liegt Niersbach wie kaum einem anderen. Schließlich stand der gebürtige Rheinländer schon beim WM-Triumph 1990 an der Seite von Franz Beckenbauer, seinem großen Förderer. Doch dieses Mal zeigte Niersbach nur ein gequältes Lächeln. Er erinnerte bei seinem Statement daran, dass die Idee damals beim „Sommermärchen“ entstand, eine Dauerausstellung zu initiieren - „damit sind wir bei der WM 2006“.

Mit diesen Worten leitete er unter großem Medienandrang über zu dem Thema, das dieser Tage die Schlagzeilen beherrscht. Erneut wehrte sich Niersbach gegen den Vorwurf der schwarzen Kassen und betonte plakativ: „Die WM 2006 war ein Sommermärchen, und sie ist ein Sommermärchen. Das Sommermärchen ist nicht zerstört.“

Niersbach, ganz der Medienprofi. Konkrete inhaltliche Fragen hat er mit seiner Strategie bisher umdribbelt. Mit einem Video auf der Verbands-Homepage hatte der frühere Agenturjournalist am Samstag auf den aufsehenerregenden Bericht des „Spiegel“ reagiert, Interviews seitdem nicht gegeben.

Unabhängig davon, was bei den Untersuchungen zu der dubiosen 6,7-Millionen-Euro Zahlung des WM-Organisationskomitees an den Weltverband FIFA herauskommt: Das Ansehen Niersbachs, der im Riesenskandal des Weltfußballs bei der FIFA und UEFA bereits als ein Nothelfer galt, hat schon jetzt gelitten. Jetzt ist er Krisenmanager in eigener Sache.

Vor ein paar Tagen war Niersbach noch als Nachfolger von Michel Platini im Gespräch. Der DFB-Präsident ist mit dem Franzosen befreundet, der wiederum wegen einer Zwei-Millionen-Franken-Zahlung von FIFA-Boss Joseph Blatter nicht nur um seinen Posten in der Europäischen Fußball-Union bangen muss, sondern sich wohl auch seine Ambitionen auf die Blatter-Nachfolge abschminken kann. Auch für diesen Posten war Niersbach von Weggefährten ins Gespräch gebracht worden.

Der weitere Aufstieg des langjährigen DFB-Mediendirektors und - Generaldirektors und des einstigen Vizepräsidenten des WM-OK 2006 ist nun aber erstmal gebremst. Sein Ding, hatte Niersbach erklärt, als er im März in die FIFA-Exekutive gewählt wurde, „ist der deutsche Fußball. Ich will meine Verbindungen, die so schlecht nicht sind, für den deutschen Fußball einbringen - und als Vertreter der UEFA in der FIFA“.

Dies tat er bislang auch dank seiner exzellenten Kontakte und seines diplomatischen Geschicks. „Mit Jovialität an die Spitze“, titelte „Der Tagesspiegel“ kürzlich, als es um Niersbachs mögliche weitere Schritte in der Karriereleiter ging. Diese Strategie fuhr Niersbach auch, als er 2012 Theo Zwanziger als DFB-Präsident ablöste.

Als Niersbach Zwanziger in der FIFA-Regierung ablöste, war dies ein lang ersehnter Wechsel nach der peinlichsten Posse unter Deutschlands Fußball-Funktionären. Spätestens seit sein Vorgänger Niersbachs Vergütungsregelung mit dem DFB von den Ethikkommissaren der FIFA überprüfen ließ, ist für den jetzigen Verbandschef das Tischtuch nicht zerschnitten, sondern zerfetzt.

Gut 15 Monate nach dem WM-Triumph von Rio verspürt Niersbach jetzt nicht die Lust, sondern die große Last des Amtes. Seine Auftritt im Fußballmuseum beendete er am Montag nach einer halben Stunde und brach nach Zürich auf - zum Treffen des FIFA-Exekutivkomitees. Der Auftritt in Dortmund war nur ein kleiner Ausflug in die heile Welt des Fußballs zwischen all den Krisensitzungen dieser Tage.