Der obligatorische Mannschaftskreis hatte sich rechts von der Mittellinie längst gebildet, doch es fehlte noch jemand, ehe Fortuna-Trainer Daniel Thioune das Wort ergreifen konnte. Myron van Brederode befand sich nach seiner Roten Karte den Regeln entsprechend nicht mehr im Innenraum, sondern hatte sich abseits des Feldes zweifelnd, grübelnd und ernüchtert irgendwo hingekauert. Dort konnte der Außenbahnspieler aber nicht bleiben, schließlich wollte der Zweitligist seinen leidenschaftlich erkämpften 1:0-Erfolg gegen Preußen Münster gemeinsam feiern. Letztlich war es Zeugwart Tom Wirtz, der van Brederode dorthin brachte, wo alle auf ihn warteten.
Und übel nahm dem 21-Jährigen seinen gerechtfertigten Platzverweis kurioserweise auch niemand – ganz im Gegenteil. „Ich habe mich bei Myron für die Rote Karte bedankt, auch wenn sie für ihn in den kommenden Wochen zum Nachteil wird“, sagte Thioune zwar etwas überraschend, aber ganz ohne Hohn, und lieferte die Begründung direkt hinterher: „Er hat uns damit überhaupt erst in die Situation gebracht, in den letzten 20 Minuten der Partie so aufopferungsvoll zu kämpfen, wie wir es getan haben. Deswegen war ich gar nicht so böse, sondern habe mich sogar ein Stück weit darüber gefreut, was anschließend auf dem Platz passiert ist.“
Natürlich hätte die Partie nach dem groben Foulspiel des niederländischen U21-Nationalspielers gegen Landsmann und Ex-Fortune Jorrit Hendrix komplett kippen können, und natürlich hatte der Platzverweis beträchtliche Auswirkungen auf das Geschehen. Münster übernahm fortan die komplette Spielkontrolle und zog seine Angriffe wie beim Handball minutenlang um den Strafraum der Düsseldorfer auf, für nachhaltige Gefahr sorgten die Gäste aber so gut wie gar nicht, weil die Thioune-Truppe – angeführt vom herausragenden Jamil Siebert und vom ebenfalls bärenstarken Andre Hoffmann in der Innenverteidigung – in Unterzahl erstklassig verteidigte, zu einer Einheit mit ihrem lautstarken Publikum wurde und die Führung über die Zeit brachte.
Schiedsrichter trifft Entscheidung erst nach dem Videobeweis
Gänzlich einverstanden war der Coach mit dem Platzverweis, den der insgesamt schwach pfeifende Schiedsrichter Florian Lechner erst nach Ansicht der Videobilder ausgesprochen hatte, allerdings nicht. Selbst wenn an der Rotwürdigkeit des finalen Foulspiels nicht zu rütteln war. „Mein Blick auf die Situation war gut, weil sie direkt vor meiner Bank stattgefunden hat. Ich fand, dass Myron im Kampf um den Ball vorher das eine oder andere Mal gehalten wurde, was ihn außer Tritt gebracht hat. Danach hat er sicherlich eine falsche Entscheidung getroffen, so in den Mann reinzugehen“, betonte Thioune.
Deshalb bezeichnete der 50-Jährige die Rote Karte als „absolut vertretbar“, ergänzte allerdings: „Grundsätzlich lag vorher ein Foul gegen Myron vor. Deshalb denke ich, dass es mit einem Freistoß für uns hätte weitergehen müssen. Dann wäre die letzte Situation nämlich gar nicht erst entstanden.“ Eine durchaus nachvollziehbare Einordnung, und im Grunde war van Brederode bis zu dieser Situation auch ziemlich gut drin im Spiel. Der Flügelspieler löste einige Dribblings erfolgreich auf, war umtriebig und hatte kurz nach der Pause sogar das 2:0 auf dem Fuß, als er nach einer perfekten Ballannahme knapp am linken Pfosten vorbeizielte.
Dazu, dass sich die Partie nach dem Platzverweis dann so entwickelte, wie sie es tat, gehörte allerdings auch viel Glück. Hätten die Düsseldorfer den Sieg anschließend nämlich noch verspielt, hätte sich Trainer Thioune wohl kaum für die Rote Karte bedankt. In diesem Fall wäre van Brederode mal wieder der Sündenbock gewesen – und gar nicht zu Unrecht. So aber mündete das Geschehen in ein für alle Beteiligten zufriedenstellendes Ergebnis, wenngleich auf den niederländischen Offensivakteur nun vermutlich eine Sperre von mindestens zwei Partien wartet.
Van Brederode selbst meldete sich am Abend nach dem Sieg gegen Münster auf seinem Instagram-Account übrigens auch noch zu Wort. „Ich möchte mich für meine Rote Karte bei den Fans und bei meinen Teamkollegen entschuldigen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir trotzdem die drei Punkte geholt haben und bedanke mich für all die Unterstützung und positiven Nachrichten“, schrieb er dort. Dass er einen Fehler gemacht hatte, war dem 21-Jährigen klar. Nicht ohne Grund hatte er auch nach dem Abpfiff noch irgendwo abseits des Feldes gekauert, ehe er sich dann doch zum Mannschaftskreis neben der Mittellinie gesellte.