Fußball Toni Schumachers neues Buch: Unterhaltung, aber kein Skandal mehr

30 Jahre nach „Anpriff“ hat Toni Schumacher das Buch „Einwurf“ geschrieben. Es ist viel weniger grell als der Vorgänger — weil Schumacher mindestens altersmilde ist.

Harald „Toni“ Schumacher hat 30 Jahre nach „Anpfiff“ ein neues Buch geschrieben.

Foto: Jonas Güttler

Köln. Nein, ein aufgewärmter Skandal ist das nicht. Nicht einmal zum neuen Skandal taugt Toni Schumachers zweites Buch, wobei der Wirbel, den der Heyne-Verlag um das Werk des einstigen Fußball-Nationaltorwarts im Vorfeld und 30 Jahre nach seinem Erstlingswerk „Anpfiff“ (das Buch wurde weltweit 1,5 Millionen Mal verkauft) gemacht hat, befürchten ließ, die Liga werde aufs Neue in ihren Grundfesten erschüttert.

Aber vielleicht ist Harald Schumacher, den alle „Toni“ nennen, weil dessen Mitspieler Heinz Simmet das Anfang der 70er so wollte — Mitspieler Konopka hieß bereits Harald — dann doch altersmilde geworden. Doping, Sex, Spielsucht im Fußball? Kein Thema mehr für Schumacher, der sich in seinem Leben vermutlich mehr Schmerztabletten einwarf als der FC je Punkte geholt hat. Ein eigenes Kapitel hat er diesen seinen zahlreichen Verletzungen gewidmet, die Finger stehen wie Zeugen kreuz und quer vom Handballen ab. Alles mehrfach gebrochen, fast amputiert. Aber da ist Toni dann doch noch eingeschritten. Das konnte er ja immer ganz gut.

„Einwurf“ heißt das neue Buch, 30 Jahre, nachdem „Anpfiff“ ihn alles gekostet hat: Die Fortsetzung der Karriere bei „seinem“ 1.FC Köln. Rauswurf, unmittelbar. Der damalige FC-Präsident Peter Weiand, 1990 in Junkersdorf gestorben, habe angeboten, selbst zurückzutreten, „damit ich dich nicht rausschmeißen muss“, erzählt Schumacher am Dienstagabend in der Kölner Buchhandlung vor einem Publikum, das auch die FC-Familie vereinigt: FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle, Sportdirektor Jörg Schmadtke, Präsidiumskollege Markus Ritterbach sind gekommen, dazu Größen wie Karl-Heinz Thielen, Wolfgang Weber und Wolfgang Overath. Harmonie pur. Fast langweilig schön. Aufregend war 1987, 2017 ist Schumacher ein glücklich verheirateter und zufriedener Mann: Frau Jasmin und Tochter Perla sitzen in der ersten Reihe. Seine erste Frau Marlies, schreibt Schumacher im Buch, habe ihm gleichsam „die Mutter ausgesucht“. Bodenständig und nett. Nett ist wohl nicht wirklich super.

Schumacher verließ seinerzeit den FC, flog auch aus der Nationalmannschaft, und der vielleicht interessanteste Moment dieses Abends nimmt darauf Bezug: Von DFB-Teamchef Franz Beckenbauer — das ließ „der Tünn“ durchblicken — hätte er sich Rückendeckung erwartet. „Hätte Franz gesagt, Toni ist und bleibt mein Torhüter, wäre ich sicher nicht rausgeflogen“, sagt er. „Er hat gewusst, dass alles, was ich geschrieben habe, richtig war. Aber er musste auch den DFB vertreten. Und diesen Spagat hat er nicht geschafft.“ Trotzdem ist nichts geblieben. Man spielt Golf. Alles bestens.

So handelt das Buch von allem, was nach dem Rauswurf („Ich war mir nie einer Schuld bewusst. Meine Mutter hat mir beigebracht: Sei ehrlich und fleißig“) passiert ist: ein gescheiterter Wechsel nach Frankreich, wo Schumacher nach dem brutalen Foul an Patrick Battiston bei der WM 1982 als echte Unperson galt. Typisch für Toni: „Das hat mich damals gereizt.“ Der Abstieg mit Schalke im Gegentor-Hagel und einem eigens für eine Woche angelieferten Lastwagen aus Meppen vor der Haustür, weil Schumacher hernach getönt hatte, er gehe nicht mit in die 2. Liga und spiele dort in Meppen.

Die Station Fenerbahce Istanbul. „Ich bin Türke geworden“, sagt er, erzählt von übertriebener Gastfreundlichkeit und meint es ernst, wenn er sagt: „Ich habe mir schon mehrfach überlegt, einen Brief an Erdogan zu schreiben.“ Erinnerung und Gegenwart passen nicht mehr zusammen für ihn. Schumacher, der früher wahnsinnig und nur hart gegen sich selbst war, ist es heute nicht mehr — und spart mit Besuchen in der Türkei. „Es ist gefährlich.“ Aus dem kompromisslosen Rebell mit Kaugummi und Föhnfrisur ist ein „besonnener Vermittler“ geworden, wie es im Klappentext heißt. Ein Leben lang Rebell geht eben nur schwer. Auch Campino trat schon in bayerischen Bierzelten auf.

Meister war Schumacher mit Istanbul, nur ein Spiel ging verloren, „auch da stehe ich im Rekordbuch“, sagt er stolz. Bei den Bayern spielte er noch, mit 42 sogar noch ein Mal für Dortmund — und wurde Meister. „Das hat mir viel bedeutet.“

Bereits am Anfang einer Lesung, bei der viel gesprochen, aber wenig gelesen wird, enthüllt er, warum das Buch überhaupt geschrieben wurde: Weil immer wieder viele wissen wollen, wie das war. Damals, Das bunte Leben. Der Fall. Die Rückkehr. Und weil der einzige, der den heutigen Vizepräsidenten des 1. FC Köln noch einmal rauswerfen könne, Präsident Werner Spinner sei. „Und über den schreibe ich nur Nettes im Buch“, sagt Schumacher. Geld? Nein, Geld sei nicht die Motivation. „Ich weiß, was so ein Buch kosten kann“, sagt Schumacher. Aber das zweite „Enthüllungsbuch“, in dem er „sich selbst“ enthülle, wird ihn nichts kosten. Schumacher spricht in den letzten Kapiteln zwar über „dunkle Gedanken. „Ich kannte dieses Gefühl, wenn die grauen Wölfe dich umkreisen“, heißt es im Buch. Aber depressiv ist er nicht. Schumacher ist nur feinfühliger geworden. Anders als der Grobian von 1987.