Vor Türkei-Spiel: Khedira beklagt unfaire Kritik
Mainz (dpa) - So dünnhäutig hat man Sami Khedria auch noch nicht erlebt. Seit seinem beherzten Sprung ins kalte Wasser bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 nach dem schockierenden Ausfall von Michael Ballack strotzte der 24-Jährige in der Nationalmannschaft stets vor Selbstvertrauen.
Nun beklagt sich der Profi von Real Madrid vor seinem Comeback im EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei heftig über ungenügende Wertschätzung und „unfaire“ Kritiken. „Aus dem Nix“ habe eine Diskussion um seine Position in der DFB-Auswahl stattgefunden, monierte der Mittelfeldspieler in Mainz vor der Abreise der deutschen Mannschaft nach Istanbul. Im vergangenen halben Jahr war der 20-malige Nationalspieler aus Verletzungs- und Schonungsgründen lediglich beim 2:1-Sieg in Österreich für 68 Minuten zum Einsatz gekommen - seine Abwesenheit nutzte der Münchner Toni Kroos, um sich neben Mesut Özil und Bastian Schweinsteiger im zentralen Mittelfeld zu profilieren.
„Ich bin ein sehr kritikfähiger Mensch, aber ich kann nicht akzeptieren, wenn etwas unfair abläuft. Ich war sehr, sehr lange ruhig, aber irgendwann ist auch mal gut“, klagte Khedira. Kroos habe „definitiv sehr gut gespielt“, aber seine Verdienste dürften dabei nicht vergessen werden: „Ich habe die letzten Jahre Leistung gebracht, da ist das nicht korrekt. Ich will fair behandelt werden.“
Das gelte fürs Nationalteam und auch für Real Madrid. Meldungen aus Spanien würden in Deutschland „verfälscht“ wiedergegeben. Er habe keine Probleme bei Real, es gebe keinen Streit mit Trainer José Mourinho, auch nicht nach dem jüngsten Platzverweis bei der Niederlage in Levante (0:1), den er selbst als „dumm“ bezeichnete. Auch Wechselspekulationen entbehrten jeglicher Grundlage. „Die Frage stellt sich nicht“, schilderte Khedira seine Sicht der Dinge.
Er habe „überhaupt keinen Streit mit irgendjemandem im Verein. Ich bin akzeptiert in der Mannschaft und beim Trainer. Ich bin auf einem guten Weg, wieder auf hundert Prozent zu kommen“, betonte Khedira. „Der Schritt ins Ausland, speziell zu Real Madrid, hat mir sehr gut getan. Ich habe mein Spiel verfeinert, ich spiele intelligenter“, versicherte der ehemalige Stuttgarter, der nach der WM 2010 für 14 Millionen Euro zum spanischen Rekordmeister wechselte und in Madrid einen Millionenvertrag bis 2015 unterschrieb.
Mehr Gelassenheit empfahl DFB-Teammanager Oliver Bierhoff, der als Profi selbst viele Jahre im Ausland spielte: „Miro Klose erlebt gerade die positive Seite der Nachrichten, die aus Italien kommen, Sami Khedira die negative. Ich hoffe und wünsche, dass Sami mit der Kritik entspannt umgeht“, erklärte Bierhoff und ergänzte aus Erfahrung: „Entscheidend ist, was der Trainer denkt.“
Khedira ist einer der Lieblingsspieler von Joachim Löw. Und der Bundestrainer informiert sich über ihn und auch seinen Real-Kollegen Mesut Özil lieber direkt bei deren Vereinscoach. „José Mourinho ist sehr angetan von dem Spieler Khedira“, versicherte Löw.
Für das Türkei-Spiel hat sich Khedira mit seinem Lamento selbst unter Druck gesetzt. „Ich bin froh, dass ich wieder zum Kader gehöre und fit bin. In der Türkei zu spielen ist etwas Schönes“, erklärte er angriffslustig. Das Duell mit dem in Istanbul wegen Grippe fehlenden Kroos hat er acht Monate vor dem EM-Turnier selbst angeheizt. „Wir haben speziell im Mittelfeld eine große Breite an Qualität. Jeder muss sich neu beweisen“, sagte Khedira - und plötzlich verkehrte sich das Schmollen wieder in das gewohnte Selbstbewusstsein: „Ich vertraue in meine Stärke.“