Warum Löw Bellarabi will

Der Leverkusener steht erstmals im DFB-Kader. Noch im Frühjahr war nicht einmal klar, ob Leverkusen ihn noch will.

Karim Bellarabi von Bayer Leverkusen wird nun deutscher Nationalspieler.

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Leverkusen. Wie das klingt, wenn man das erste Mal für die Fußball-Nationalmannschaft nominiert wird? So: „Es ist eine große Ehre für mich, da geht ein Traum in Erfüllung.“ Sagte Karim Bellarabi, 24 Jahre alt, Vater Marokkaner, Mutter Deutsche, Vertrag bei Bayer Leverkusen. Insofern unterscheidet sich dieser Bellarabi nicht so sehr von anderen Fußballern und deren Floskeln. Die Unterschiede liegen woanders. Und es sind derer viele.

Bundestrainer Joachim Löw nominierte Bellarabi am Tag nach Leverkusens Champions-League-Sieg gegen Benfica Lissabon (3:1) erstmalig für die EM-Qualifikationsspiele gegen Polen (11. Oktober in Warschau) und Irland (14. Oktober in Gelsenkirchen). Natürlich hat der Weg Karim Bellarabis ganz viel mit dessen Trainer Roger Schmidt zu tun. Der 24-Jährige hätte an eben jenem Schmidt scheitern können. Weil Leverkusens Trainer bei seinem Amtsantritt in diesem Sommer Bellarabi kaum kannte — und an einen Verkauf oder mindestens eine erneute Ausleihe dachte.

Aber dann fügte sich alles auf wunderbare Weise zusammen: Schmidts propagierter Offensivstil und Eroberungsfußball sowie Bellarabis Dynamik. „Er hat die Spielidee zu seiner Spielidee gemacht“, sagte Schmidt unlängst. Die anfänglichen Zweifel in Leverkusen überraschen durchaus. Immerhin waren die Fähigkeiten des Tempospielers schon in den 18 Einsätzen unter Dutt, Hyypiä und Lewandowski zu Tage getreten. Erst eine Schambeinverletzung minderte die Chancen des Mannes, der 2008 vom FC Oberneuland zu Eintracht Braunschweigs U 19 gekommen war — ehe ihn 2011 Leverkusen unter Vertrag nahm. Also lieh Braunschweig seinen einstigen Liebling vergangene Saison im Existenzkampf der ersten Liga aus — und stieg trotzdem ab.

„Karim ist von einem Nebendarsteller beim Absteiger Braunschweig zu einem Hauptdarsteller bei uns geworden“, sagte Bayer-Geschäftsführer Michael Schade. Schade „freut sich“. Für Bellarabi, sicher. Aber auch für seinen Arbeitgeber: Hätten die bemühten Männer des marokkanischen Fußball-Verbandes FRMF — Nationaltrainer Badou Zaki weilte bereits in Leverkusen — das Rennen um den jungen Mann gemacht, wäre dessen Abstellung für den mehr als drei Wochen dauernden Afrika Cup im Januar und Februar 2015 absehbar gewesen. Jetzt spielt er für Deutschland, Löws Entscheidung ist gewiss auch ein gutes Stück Taktik. Und dass Bellarabi mindestens ein Mal spielen wird, ist nicht unwahrscheinlich: Erst dann wird er für den DFB gewonnen und für Marokko verloren sein.

Nur bis zum Ende dieser Saison läuft sein Vertrag in Leverkusen. Schade will verlängern, erhöhte Priorität. Auch weil sie in Leverkusen nicht reich gesegnet sind an deutschen Nationalspielern — und sich diesbezüglich durchaus schon benachteiligt fühlten, wenn man an Spieler wie Gonzalo Castro oder Stefan Kießling denkt. Auch Bellarabi hat längeren Anlauf genommen. Aber wie schnell alles gehen kann, das weiß er ja schon seit dem ersten Spiel dieser Saison. In Dortmund traf er so schnell wie niemand zuvor. Nach neun Sekunden.