Wer lügt? Offene Fragen und Widersprüche der DFB-Affäre

Frankfurt/Main (dpa) - Auch mehr als eine Woche nach Beginn des Sommermärchen-Skandals sind zahlreiche Fragen ungeklärt.

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Die Hauptdarsteller des Korruptionskrimis um den Deutschen Fußball-Bund und die WM 2006 bezichtigen sich gegenseitig der Lüge, die Aufklärung lässt hingegen auf sich warten. Die wichtigsten offenen Punkte, Widersprüche sowie gegenseitigen Darstellungen im Überblick.

Wann erfolgte die erste Zahlung und wohin ging diese?

NIERSBACH: Der DFB-Präsident behauptet, dass im Jahr 2002 vom Ex-Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus 6,7 Millionen Euro an die FIFA-Finanzkommission gezahlt worden seien. Da die WM zwei Jahre früher vergeben worden war, würde es sich nach dieser Theorie um keinen Stimmenkauf handeln. Vielmehr soll diese Zahlung laut DFB-Darstellung eine FIFA-Bedingung für einen späteren Organisationszuschuss von 170 Millionen Euro gewesen sein. Der Weltverband hat nach eigener Aussage aber keinen Geldeingang registriert.

ZWANZIGER: Als Empfänger nennt Niersbachs Vorgänger das frühere FIFA-Exekutivmitglied Mohamed bin Hammam und beruft sich dabei auf Horst R. Schmidt. Der Organisations-Vize weist zurück, den Katari identifiziert zu haben. Sollte die Zahlung wie nach Zwanzigers Darstellung bereits 2000 erfolgt sein, stellt sich die Frage, welche Rolle das einflussreiche und stimmberechtigte Exko-Mitglied bei der WM-Vergabe im Dezember dieses Jahres gespielt hat.

Wann wusste Niersbach von den Geldflüssen?

NIERSBACH: Den Zusammenhang zwischen Darlehen und Zuschuss habe er erst im Sommer 2015 erkannt, betonte der 64-Jährige. Dass es eine handschriftliche Notiz von ihm auf einem früheren Vorgang gibt, könne er aber „nicht definitiv ausschließen“.

ZWANZIGER/SCHMIDT: Niersbach lüge und müsse seit mindestens 2005 wissen, dass es eine schwarze Kasse bei der WM-Bewerbung gegeben habe, hält sein Erzfeind Zwanziger ihm entgegen. Eine Notiz auf einer Rückzahlungs-Anweisung an Louis-Dreyfus aus dieser Zeit komme von Niersbach. Horst R. Schmidt erklärte, er habe nach einem Anruf von Günter Netzer im Herbst 2004 das OK-Präsidium informiert - also auch Niersbach.

Warum schritt der Aufsichtsrat nicht ein?

NIERSBACH: Die Zahlung an Louis-Dreyfus 2005, die als Zuschuss zu einer FIFA-Gala in Berlin, deklariert war, sei in der Sitzung im Präsidialausschuss des Gremiums „genehmigt worden“, berichtete der DFB-Chef.

SCHILY: Der Ex-Bundesinnenminister Otto Schily, damals Regierungsvertreter im Präsidialausschuss, erklärte hingegen, dass das Gremium eine Mitteilung des Organisationskomitees nur zur Kenntnis genommen habe. Der Aufsichtsrat sei „hinsichtlich der wahren Hintergründe der Zahlung von sieben Millionen Euro getäuscht“ geworden, sagte Schily der „Bild am Sonntag“.

Wie geht es nun weiter?

NIERSBACH: Trotz der Treuebekundung des Präsidiums steht der angeschlagene DFB-Chef massiv unter Druck. Bei allen Fragen verweist der Verband auf die laufenden externen Ermittlungen durch die Wirtschaftskanzlei Freshfields. Die aktuelle Affäre bringt nicht nur den Verband ins Zwielicht, sondern dürfte auch international mit Blick auf die EM-Bewerbung 2024 schaden.

ZWANZIGER: Zeitnah will sich auch der 70-Jährige den externen Prüfungen des DFB stellen. Vermutlich dürfte Zwanziger noch weitere Erkenntnisse aus der Vergangenheit liefern.

BECKENBAUER: Als Schlüsselfigur der Affäre könnte Franz Beckenbauer auf alle offenen Kernfragen die dringend benötigten Antworten liefern. Noch schweigt die angekratzte Lichtgestalt aber beharrlich.