Brasiliens Probleme „größer als sie schienen“

Teresópolis (dpa) - „Liberação“ stand für Brasiliens Team auf dem Zeitplan. Freier Tag - der erste für die Seleção, seit das WM-Turnier läuft. Den Kopf frei bekommen hatten die Spieler aber nicht, als sie am Donnerstag nach und nach wieder im Teamquartier „Granja Comary“ in Terésopolis eintrafen.

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Dort tüftelt Luiz Felipe Scolari längst an der Taktik für das letzte Gruppenspiel gegen Kamerun. Nach dem enttäuschenden 0:0 gegen Mexiko muss sich der Nationaltrainer erstmals in seiner zweiten Amtszeit deutliche Kritik anhören.

Von einer „Horrorshow“ berichtete gar die Zeitung „Folha de São Paulo“ und warnte: „Die Probleme sind größer, als sie gegen Kroatien schienen.“ Für Brasiliens bekanntesten Fußball-Kolumnisten Juca Kfouri ist das Ergebnis „nicht das Ende der Welt“, aber der Auftritt des fünfmaligen WEltmeisters sei „viel mehr Transpiration als Inspiration gewesen“. „Keine Inspiration“, urteilte auch „O Globo“.

„Felipão“, Brasiliens Weltmeister-Coach von 2002, hatte zwar von Anfang an die Favoritenrolle angenommen, unlängst aber gewarnt: „Erwartet nicht, dass uns alleine dieses Fest gehört.“ Vor einem Jahr beim Confederations Cup feierte seine Mannschaft eine Fußball-Party nach der anderen. Beim mühsamen 3:1-WM-Auftaktsieg gegen Kroatien und dem etwas unglücklichen Remis gegen den Angstgegner Mexiko herrschte in den Stadien zwar große Ausgelassenheit und in ganz Brasilien eine enorme Spannung. Aber noch fehlt der Funke im fußballverrücktesten Land der Welt, um die Stimmung explodieren zu lassen.

„Die Mannschaft entwickelt sich“, beschwichtigte Luiz Gustavo nach der Mexiko-Partie. Der Bundesliga-Profi vom VfL Wolfsburg ahnt aber auch: „Kroatien war schwierig, dieses Spiel war noch schwieriger. Und mit denen, die kommen, wird es genauso sein.“

Derweil muss sich Scolari immer mehr Fragen gefallen lassen, was sein Angriff eigentlich außer Neymar zu bieten hat. Der Superstar vom FC Barcelona tauchte am freien Tag erstmal unter und soll sich nach Angaben der Tageszeitung „O Globo“ eine Nacht mit seiner Freundin, der Schauspielerin Marquezine Bruna, in einem Nobelhotel in Rios Stadtteil Santa Teresa gegönnt haben.

Neymar ist zwar in Topform, aber auch oft alleine gelassen in der Offensive des Rekord-Weltmeisters. Oscar konnte nicht an die Glanzleistung vom Eröffnungsspiel anknüpfen. Kraftpaket Hulk fehlte angeschlagen, sein Vertreter Ramires enttäuschte. Und Fred, der Torschützenkönig vom Confed Cup, ist bisher auf dem Platz die Unauffälligkeit in Person.

Nach Meinung des Internetportals UOL ist der 30-Jährige von Fluminense FC die schlechteste Nummer 9 Brasiliens seit Serginho 1982 in Spanien. Der für ihn eingewechselte Jô ging allerdings ebenfalls unter. Fragen nach Fred wollte Scolari aber nicht hören. „Ihr könnt Euch eine eigene Aufstellung ausdenken. Das Problem ist: Ihr habt keinen Einfluss darauf, was ich denke“, blaffte der 65-Jährige die Journalisten an. Das Scherzen ist „Felipão“ jedenfalls vergangen.

Trotz der Schwierigkeiten ist Verbandspräsident José Maria Marin fest vom Erfolg der Seleção überzeugt. „Ich habe vollstes Vertrauen in Luiz Felipe Scolari und die gesamte Mannschaft“, sagte der Funktionär in Rio de Janeiro. Diese zeigt weiterhin demonstrativ Geschlossenheit. „Juntos até o fim!“ („Zusammen bis zum Schluss“) - mit diesen Worten postete Innenverteidiger David Luiz auf Facebook ein Foto, auf dem er seine Kollegen Marcelo und Júlio César umarmt.