Del Bosque lässt Trainer-Zukunft offen

Curitiba (dpa) - Die Zukunft von Spaniens Erfolgstrainer Vicente del Bosque bleibt bis nach der Fußball-WM offen.

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Der sympathische Schnauzbartträger brach zwar zwei Tage nach dem völlig unerwarteten Scheitern des Titelverteidigers sein Schweigen. Bei einer überraschend angesetzten Pressekonferenz in Curitiba sagte del Bosque aber nur: „Wir sind noch voll im Wettbewerb und es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, über meine Zukunft zu sprechen. Wir machen das, was unserer Überzeugung nach am besten für den Verband ist.“ Zugleich drohte der 63-Jährige trotz eines bis 2016 gültigen Vertrags mit seinem Ausstieg: „Wenn ich störe oder unbequem bin, werde ich gehen.“

Seit dem fatalen Vorrunden-K.o. herrschte beim entthronten Weltmeister weitgehend Funkstille. Die Funktionärsriege um Verbandspräsident Àngel Maria Villar hat in Brasilien zu den drängenden Problemen und den ungewissen Perspektiven noch keine Position bezogen. Nur aus dem mehrere tausend Kilometer entfernten Madrid signalisierte RFEF-Generalsekretär Jorge Pérez klare Unterstützung für den Coach: „Uns würde es gefallen, dass er bleibt. Sein Vertrag läuft bis zur EM in Frankreich.“

Del Bosque sagte nun im Trainingsquartier CT do Caju, er wolle absolut korrekt mit dem Verband umgehen und dass alles gut funktioniere. Dabei machte er deutlich, dass er nicht an seinem Sessel klebe. Mit Verweis auf die im September beginnen Vorbereitung auf die EM erklärte der honorige Trainer: „Das einzige was ich möchte ist, dass unser Fußball, unsere Föderation weiterhin perfekt funktionieren.“

Davon konnte aber bei der WM keine Rede sein. Der Funktionärs-Tross vor Ort lässt del Bosque bislang komplett allein. Villar & Co äußerten sich nicht zum folgenschweren 0:2 gegen Chile wie schon zuvor zur 1:5-Klatsche gegen die Niederlande. Sie ließen sich nicht einmal neben dem bemitleidenswerten Erfolgstrainer blicken, um wenigstens optisch Unterstützung zu signalisieren. Verbands-Herrscher Villar bezog bisher weder Position zum desaströsen Abschneiden der „selección“ noch zu del Bosques Andeutung, eventuell aufzuhören.

Allein der Generalsekretär stellte sich in einem Radio-Interview in Madrid klar hinter den Trainer. „Vom Ersten bis zum Letzten in der Föderation halten wir wie Pech und Schwefel mit del Bosque zusammen“, sagte Pérez. „Wir haben doch den Besten, warum sollen wir dann wechseln.“ Die spanischen Fußballfans scheinen das anders zu sehen. Laut einer nicht repräsentativen Online-Umfrage des Sportblatts „Marca“ sprachen sich fast 70 Prozent der etwa 150 000 Befragten für eine Ablösung des Trainers aus.

Der neue König Felipe VI. gehört indes nicht dazu: Der 46 Jahre alte Monarch stellte auf seinem Arbeitstisch im Madrider Zarzuela-Palast eine verkleinerte Nachbildung der Trophäe vom historischen WM-Triumph 2010 in Südafrika auf. Dies ist auf Fotos zu sehen, die den König am Freitag bei einem Treffen mit Ministerpräsident Mariano Rajoy zeigen.

Auf Tauchstation gingen indes die beiden Mannschaftskapitäne Iker Casillas und Xavi, bei beiden EM-Titeln (2008, 2012) und dem WM-Triumph in Südafrika zu den Leistungsträgern zählten. Die im Mannschaftsgefüge eine untergeordnete Rolle spielenden Koke und Santi Cazorla mussten sich am Freitag der ersten Presserunde notgedrungen stellen, umgingen aber die heiklen Themen. „Es war kein fehlender Hunger, Leidenschaft oder Lust“, sagte Cazorla zum kläglichen Scheitern. „Die Nationalmannschaft hat eine hoffnungsvolle Zukunft.“ Koke erklärte: „Man darf an der Nationalmannschaft und diesem Kader nicht zweifeln.“ Gegen Australien wolle sich Spanien auf bestmögliche Weise verabschieden.

Es liegt primär an del Bosque, ob er den dringend notwendigen Umbau bis zur EM 2016 vornehmen will oder diesen einem Nachfolger überlässt. Villar hat in 26 Jahren Amtszeit noch keinen Trainer entlassen. Vom Verband wird del Bosque nicht zum Abschied gedrängt. Im Gegenteil: „Ich möchte, dass er weitermacht“, bekräftigte Pérez. Noch habe die RFEF mit del Bosque nicht gesprochen. Es sei besser, etwas Zeit verstreichen zu lassen und die Angelegenheit in Ruhe in Madrid zu regeln.

Angesichts der Sprachlosigkeit der Verbandsoberen war es fast schon peinlich, dass Trainer konkurrierender Teams ihren alleingelassenen Kollegen unterstützten. Vor allem Ottmar Hitzfeld litt als „großer Bewunderer“ del Bosques und des spanischen Fußballs mit. „Ich war sehr traurig, dass er mit Spanien ausgeschieden ist. Das ist nicht schön für die Weltmeisterschaft“, sagte der Schweizer Nati-Coach.

Bundestrainer Joachim Löw war „natürlich auch überrascht, dass die Spanier jetzt nach zwei Spielen ausgeschieden sind. Ich halte Spanien noch für eine sehr gute Mannschaft mit klasse Spielern.“ Italiens Cesare Prandelli sagte, er habe „großen Respekt“ vor Spanien. „Sie werden in einiger Zeit wieder gewohnt stark zurückkommen.“