Di Marías schlimmste Leidenszeit
São Paulo (dpa) - Verglichen mit der schlimmsten Leidenszeit seines Lebens kann Ángel di María wohl alles verkraften. Seine Tochter Mía kam am 22. April 2013 auf die Welt. Drei Monate zu früh.
Die Ärzte mussten schnell handeln, sie gaben dem Säugling ansonsten nur eine 30-prozentige Überlebenschance. Sie lag rund zweieinhalb Monate auf der Intensivstation. Di María und seine Ehefrau Jorgelina Cardoso waren jeden Tag bei ihr im Krankenhaus Montepríncipe von Madrid. Bis zum Abend, um Mía jedes Mal „buenas noches“ zu wünschen.
Die Kleine schaffte es. Beim Gewinn der Champions League im Mai mit Real Madrid hielt der überglückliche Papa sein Töchterchen fest im Arm, als er mit der anderen Hand den Pokal berührte. Es war die Krönung einer überragenden Saison, die di María bei den „Königlichen“ spielte. „Mein Tochter hat mich gelehrt, dass man alles kann. Das Wissen, dass man das Schwerste auch in etwas Leichtes verwandeln kann“, sagt di María, „sie hat mich gelehrt, zu leiden und den Schmerz zu ertragen, um stärker zu werden“.
Eine solche Zeit relativiert vieles, sicher auch eine Verletzung bei einer Fußball-Weltmeisterschaft ausgerechnet vor dem Halbfinale mit der argentinischen Elf. Dennoch traf es ausgerechnet den Spieler im Team der Südamerikaner, der neben Messi bis dahin der Beste war. „Er ist entscheidend für uns“, gab Trainer Alejandro Sabella zu.
Nicht nur, weil di María mit seinem Tor in der 118. Minute gegen die Schweiz auf Traumvorlage von Messi im Achtelfinale für die Entscheidung gesorgt hatte. Di María, der nach dem Königsklassen-Triumph nach ein paar Tagen in der argentinischen Heimat erst später zur Vorbereitung der Mannschaft gestoßen war, knüpfte bei der WM nahtlos an seine Vorstellungen bei Real an, wo er seit seinem Wechsel 2010 von Benfica Lissabon unter Vertrag steht.
52 Einsätze absolvierte di María für die Madrilenen in der Saison nach Mías Geburt. 43 Mal stand er in der Startformation. Vier Tore schoss er in der Meisterschaft, drei im Pokal, aber vor allem vier auch in der Champions League. Im Finale leitete er dann mit einem seiner unwiderstehlichen Tempodribblings auf der linken Seite den Treffer zum 2:1 von Gareth Bale in der Verlängerung ein - am Ende gewann Real 4:1.
Trainer Carlo Ancelotti durfte sich bestätigt fühlen, nicht di María, sondern den deutschen Nationalspieler Mesut Özil vor der Saison (an den FC Arsenal) verkauft zu haben. „Ich bevorzuge Di Maria dank seiner Dynamik, seines Charakters, seiner Hilfe für die Mannschaft“, hatte der italienische Coach damals erklärt.
Leicht hat es einer wie di María, dessen Spitznamen „El Fideo“ (Die Nudel) er seiner Figur zu verdanken hat und der in einer geschmacklosen Umfrage einer spanischen Zeitung vor drei Jahren auch schon zum hässlichsten Spieler der Primera Division gewählt worden war, in einer Mannschaft gespickt voller Werbeträger und Megastars aber auch nicht. Heftig spekuliert wird, dass di María im Tausch mit Frankreichs Paul Pogba zu Juventus Turin wechseln wird.
Dass er im vorletzten WM-Match der Argentinier seinen Mitspielern nicht helfen kann, wird den von allen Seiten geschätzten und gelobten Teamplayer di María schmerzen. Im Gegensatz zu seinem Vater, der nach einer Knieverletzung vom Kicken seinerzeit mit Kumpels in der Heimat Rosario seine Karriere beenden musste, dürfte er dank der Kraft und Liebe seiner Tochter aber auch diese Phase überstehen und noch weiter gestärkt auf den Platz wiederkehren.