Ein Pfiff, der Kroatien wütend macht
Nach dem Eröffnungsspiel hat die WM bereits eine Debatte über die Schiedsrichter und den Heimvorteil für Brasilien.
Sao Paulo. „Ich bin stinksauer. Mein Team wurde betrogen“, schimpfte Trainer Niko Kovac. Die starken Kroaten fühlten sich bei der unglücklichen 1:3 (1:1)-Pleite gegen den Gastgeber zum WM-Auftakt in Sao Paulo mächtig verschaukelt. Sogar Verschwörungstheorien machten nach dem Elfmetergeschenk für Brasilien durch den japanischen Schiedsrichter Yuichi Nishimura die Runde.
„Wir hören besser auf und fahren nach Hause. Das Fifa-Logo ist Respekt, Respekt für beide Teams. Wir haben heute keinen erfahren“, sagte Kovac. Und so hat der Fußball-Weltverband bereits nach den ersten 90 WM-Minuten eine heftige Schiedsrichter-Debatte — und das nach den zahlreichen Fehlentscheidungen bei der Endrunde 2010 in Südafrika.
Referee-Obmann Massimo Busacca nahm Nishimura in Schutz. „Es ist nicht Schwarz oder Weiß. Es gibt auch Zwischenstufen, und der Schiedsrichter muss die Gestik beurteilen“, sagte Busacca Freitag in Rio de Janeiro. Es habe einen Kontakt mit beiden Händen zwischen dem kroatischen Verteidiger Dejan Lovren und Brasiliens Stürmer Fred gegeben.
In Kroatien gab es dagegen eine Welle der Entrüstung. Von „Schauspielerei“, einem „geschenkten Elfmeter“ und „Schiedsrichterhilfe“ war in den Medien die Rede. Ein Pfiff von Nishimura war an der ganzen Aufregung schuld. In der 71. Minute ahndete der Unparteiische einen harmlosen Zupfer von Lovren am Trikot des theatralisch zu Boden stürzenden Fred mit Strafstoß. Mit seinem zweiten Treffer verwandelte Neymar den Elfmeter zum zwischenzeitlichen 2:1. Die Entscheidung habe „etwas damit zu tun, dass wir in Brasilien spielen, beim Favoriten“, unterstellte Kovac.
Dies wies Busacca vehement zurück. „Das ist pure Fantasie“, schimpfte der Ex-Referee. „Ich habe im Spiel nur eine Sekunde Zeit zur Entscheidung. Dann ist es Team A gegen Team B, Spieler A gegen Spieler B. Da habe ich keine Zeit zu denken, ach, das ist Brasilien, da muss ich jetzt pfeifen“, sagte der 45-Jährige.
Doch die kroatischen Profis fühlten sich nach eigener 1:0-Führung durch das Eigentor von Marcelo um den verdienten Lohn einer couragierten Leistung gebracht. „Der Schiedsrichter hat das erste Spiel auf dem Gewissen“, wetterte der ehemalige Schalker Ivan Rakitic. „Das ist schon ein Skandal“, echauffierte sich der Wolfsburger Ivica Olic.
Vor dem Spiel hatte die Fifa Nishimura noch als den erfahrensten Referee Japans angepriesen mit bisher fünf WM-Einsätzen in seiner Laufbahn. Nach dem Eröffnungsspiel witzelten Spötter: Wenigstens die WM-Premiere des Freistoß-Sprays habe der Asiate problemlos abgewickelt. Busacca forderte dagegen mehr „Respekt“ für seine Unparteiischen.
Für die erleichterten Brasilianer schien die Angelegenheit eindeutig. Ein klarer Elfmeter, sagten Neymar und Co. unisono und versuchten die Kontroverse einfach wegzulächeln. Hauptsache gewonnen. Der WM-Start war schwer genug. „Für mich war es ein Elfer, ich habe die Szene jetzt zehnmal gesehen“, meinte auch Brasiliens Coach Luiz Felipe Scolari. Er könne die Reaktion von Kovac aber verstehen. Thema abgehakt.