Weltmeister missverstanden Hummels ärgert sich: Keine Lust auf Prügelknaben-Rolle

Sotschi (dpa) - Mats Hummels setzte wenige Tage nach seiner Hallo-Wach-Rede vor dem Schlüsselspiel gegen Schweden lieber auf kontrollierte Offensive.

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„Ich habe über inhaltliche Dinge gesprochen und es wird immer so getan, als würde ich irgendwelche Leute beleidigen“, konterte der 29-Jährige die öffentlichen Bewertungen seiner Defensiv-Appelle an die Mannschaft. „Ich habe keine Lust mehr, für harmlose Sachen so in die Kritik genommen zu werden. Deswegen belasse ich es oberflächlich: Wir müssen es besser machen.“

Ein Weltmeister fühlt sich missverstanden. Die mahnenden Worte des Bayern-Verteidigers nach dem Fehlstart gegen Mexiko wurden auf vielfältige Art interpretiert, was Hummels missfiel. „Bei Mats weiß man, dass es nicht bösartig gemeint ist“, verteidigte Teammanager Oliver Bierhoff eine der zentralen Figuren im Löw-Ensemble.

Hummels zählt nicht nur fußballerisch zur Elite in Deutschland. Wie kaum ein Zweiter kann sich der rhetorisch begabte Profi ohne Fußball-Floskeln oder Plattitüden ausdrücken. Deswegen wurmt es ihn besonders, wenn nur Halbsätze aus seinen geschliffenen Argumentationsketten gefiltert werden. Von der Mannschaft sei er gar nicht in die Kritik genommen worden, wiegelte er in Sotschi ab. Doch beim Nachrichten-Konsum auf dem Smartphone werden sich auch nicht alle DFB-Kollegen über die im Internet transportierten Hummels-Worte gefreut haben.

„Die Art und Weise der Kritik ist in den letzten Jahren immer extremer geworden, auch bedingt durch Social Media“, mutmaßte Hummels. Er und Ehefrau Cathy, die nach ihrem WM-Besuch in Moskau wieder heimreiste, spielen die Klaviatur von Twitter, Instagram & Co. allerdings selbst gerne. Über das sechs Monate alte Söhnchen wurde von ihr reichlich gepostet. Mats Hummels gibt gerne kleine Einblicke ins Profileben. Er wehrte sich schon mal öffentlich gegen Kritik oder verkündete vor einem Jahr sein Engagement in der Initiative Common Goal. Dorthin spenden einige Fußball-Profis nach eigenen Angaben ein Prozent ihres Gehalts für soziale Zwecke.

Hummels weiß sich abseits des Rasens glänzend in Szene zu setzen. Auf der anderen Seite macht er auch die alltäglichen Dinge des Lebens, die für viele seiner Kollegen undenkbar sind. Er kommt mit dem Fahrrad zur Meisterfeier der Bayern. Er ist mit Kumpels ohne Schnickschnack oder Maskerade einfach mal so in München unterwegs.

Dem „Zeit-Magazin“ gestand er vor der WM, „manchmal eine kleine Naschkatze“ zu sein, wenn es um Schokolade, Eis oder andere Leckereien geht. Trainer Hermann Gerland wollte Hummels in der gemeinsamen Zeit bei den Bayern-Amateuren nur spielen lassen, wenn dieser unter 90 Kilo wog. Gerne drückte sich dieser vor der Waage.

Hummels ist seit Jahren ein Leistungsträger in DFB-Auswahl und Verein. Die Saison 2017/18 sollte eine ganz große in der Karriere des Weltmeisters werden. Doch nach dem verlorenen Pokalfinale gegen Frankfurt und dem Champions-League-Aus gegen Real Madrid droht die Spielzeit aktuell wieder „nur“ ein weiteres Meisterjahr zu werden.

„Wir dürfen uns nicht noch so ein Spiel erlauben, egal wie lange das Turnier noch geht“, sagte er vor dem Schweden-Kracher. „Je früher wir uns noch so ein Spiel erlauben, desto eher fahren wir nach Hause“, sagte der 65-malige Nationalspieler am Schwarzen Meer.

Seine eigenen sportlichen Auftritte werden mittlerweile kritischer gesehen als vor Jahren. Tempodefizite kaschiert Hummels weitgehend mit einem herausragenden Stellungsspiel und guter Antizipation. Das Kopfballspiel ist überragend, im Aufbauspiel wirkt er prägend. Mit einem Pass kann er gleich mehrere Gegenspieler überwinden. Die Fehlpassquote ist höher als bei Verteidigerkollegen, die das Spiel konservativer einleiten. An dem Gegentor gegen Mexiko hatte Hummels Anteil. Er rutschte vor dem Treffer im Mittelkreis weg. Das sollte sich gegen Schweden nicht wiederholen - sonst gibt es wieder Kritik.