Frankreich-Youngster Selbstbewusster Mbappé: „Wollen hier gewinnen“
Istra/Jekaterinburg (dpa) - Als Kylian Mbappé mit müden Augen weit nach Mitternacht endlich im französischen Teamquartier in Istra angekommen war, wartete eine schöne Überraschung.
Die Hotelangestellten standen Spalier und empfingen den Jungstar und seine Kollegen nach dem erfolgreichen 1700-Kilometer-Trip in den Ural mit großem Applaus, im Hintergrund ertönte die „Marseillaise“. Der Stolz stand Mbappé ins Gesicht geschrieben, nachdem er mit seinem ersten WM-Tor beim glanzlosen 1:0 (1:0) gegen Peru nicht nur den vorzeitigen Achtelfinal-Einzug perfekt gemacht hatte, sondern auch als jüngster Torschütze in Frankreichs Fußball-Geschichte eingegangen war. „Ein Traum, der in Erfüllung ging“, sagte Mbappé.
Das erste WM-Tor im Alter von exakt 19 Jahren und 183 Tagen war an diesem nasskühlen Abend im fernen Jekaterinburg vielleicht der Beginn von etwas ganz Großem. Mbappé ist das heißeste Versprechen des französischen Fußballs seit langer Zeit, vielleicht sogar seit dem großen Zinédine Zidane. „Der Geschmack des Sommers“, titelte die französische Sporttageszeitung „L'Equipe“ mit einem Bild des jubelnden Mbappé.
Und diesmal war auch Trainer Didier Deschamps restlos von seinem Juwel überzeugt, weil er „viel gearbeitet hat“. Dass er den Ball über die Linie gedrückt hatte, war eher eine Selbstverständlichkeit. Nein, Mbappé habe „wie ein Hund um den Ball gekämpft“, stellte Mitspieler Blaise Matuidi fest. Eigenschaften, die eher nicht für das Riesentalent stehen. Denn Mbappé ist ein echter Stürmer, pfeilschnell, technisch stark, eiskalt vor dem Tor. Aber Abwehrarbeit? Mbappé hat sich damit arrangiert. „Ich will nicht Topscorer oder so werden. Wer nur die eigenen Ziele verfolgt, wird nichts gewinnen. Das ist wie in der Champions League, nur das Kollektiv zählt. Wir wollen hier gewinnen“, sagte er jüngst in einem Interview der „L'Equipe“.
Und Mbappé hat sich in Russland höchste Ziele gesetzt. Ausreden, dass die Mannschaft zu jung sei, zählen für ihn nicht, wie der 17-malige Auswahlspieler (fünf Tore) betont: „Entweder wir können, oder wir können nicht. Wenn wir es nicht können, sollten wir in Frankreich bleiben. Natürlich sind wir jung, aber wir spielen bei Barcelona, Madrid, Paris, Juve oder Manchester.“
Mbappé selbst stürmt für Paris Saint-Germain, geschätzte 180 Millionen Euro war den katarischen Besitzern vor einem Jahr die Verpflichtung eines 18-Jährigen von der AS Monaco wert. Mbappé geht erstaunlich erwachsen mit solchen Summen um. Das gehöre zum Geschäft, sagt er. „Ist das wirklich ein 19-Jähriger, der eure Fragen beantwortet?“, rief Noël Le Graët den französischen Journalisten zu und schwärmte über Frankreichs junge Generation: „Das Verhalten ist beispielhaft, die Freundlichkeit, der Respekt.“ So betont Mbappé, wie wichtig das Image, das Bild der französischen Equipe sei, „denn die Kinder auf den Straßen reproduzieren es“.
Worte, die Frankreich gerne 2010 in Südafrika von dem Skandalteam um Nicolas Anelka gehört hätte. So ist auch Deschamps' Co-Trainer Guy Stéphan verblüfft: „Ich habe viele Spieler gesehen und war von Thierry Henry und David Trezeguet beeindruckt. Ich habe aber nicht viele Beispiele, die in seinem Alter so weit waren.“
Wie weit wird es für Mbappé gehen? Wird er einmal das Erbe von Zinédine Zidane antreten können, der den Youngster „fabelhaft“ findet? Dessen Rückennummer 10 hat er bereits. „Sie war frei, ich wollte sie. Ich sehe das eher aus den Augen eines Kindes, das diese Nummer geliebt hat. Für Frankreich ist es etwas Historisches, aber für mich ändert sich nichts“, sagt Mbappé, der nur vage Erinnerungen an das große französische Idol hat. Als Zidane Frankreich 1998 daheim zum WM-Titel führte, war Mbappé noch gar nicht auf der Welt.