Ex-Nationalspieler Jansen: Reduzierung des DFB-Kaders sorgt für Dynamik
Berlin (dpa) - Marcell Jansen nahm unter Joachim Löw an zwei Weltmeisterschaften (2006, 2010) und einer EM (2008) teil. Der ehemalige Bundesliga-Profi erinnert sich gerne an die Trainingslager vor den großen Turnieren.
Sie waren für ihn wie ein „Crash-Kurs“.
Die spätestens am Montag bevorstehende Reduzierung des DFB-Kaders für die WM in Russland aus 23 Turnier-Spieler weckt aber auch negative Erinnerungen. Diese Entscheidung sei für die Betroffenen „brutal“, sagte der 32-Jährige in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Die Nationalmannschaft bereitet sich auf die WM vor. Sie waren auch 2006, 2008 und 2010 in einem Trainingslager vor einem großen Turnier mit Joachim Löw. Wie sieht der Alltag aus für einen Profi?
Marcell Jansen: Es ist natürlich etwas ganz Besonderes. Die Spieler, die neu dabei sind, sind noch aufgeregter. Es ist wie ein einziger Crash-Kurs. Man bekommt die Philosophie vermittelt. Alle sind sehr fokussiert.
Ist der Druck noch größer als in einem Club-Trainingslager vor einer Saison?
Jansen: Der Druck ist ähnlich. Den macht sich letztlich jeder selbst. Ich muss sagen, dass wir immer ein sozial gutes Klima hatten. 2006 war es am schönsten, mit Lukas Podolski und Per Mertesacker, wir hatten auch viel Spaß.
Aber gerade die Wackelkandidaten müssen doch ständig auf die Konkurrenz schauen. Verändert sich dann die Stimmung in der Mannschaft?
Jansen: Man merkt es den Kollegen an, bei denen es wacklig sein kann. Es wird dann schon viel untereinander gesprochen, gerade wenn die Entscheidung ansteht. Dann sind alle noch fokussierter. Man weiß ja, für welche Spieler es nicht reichen könnte. Diese Situation ist für keinen leicht.
Welche Rolle nimmt dann Joachim Löw ein?
Jansen: Ich finde es gut, dass er sich überhaupt der Aufgabe stellt. Ich bin ein Fan davon. Auch, wenn es brutal ist. Er könnte ja auch 23 Spieler nominieren - und das ist es dann. So kommt nochmal eine andere Dynamik rein.
Und Ihre eigenen Erfahrungen?
Jansen: 2006 und 2008 hatte ich eigentlich einen fixen Platz. 2010 war es dann schon ein Wunder, dass ich nach einer Verletzung überhaupt dabei sein konnte. Da bin ich dem Bundestrainer noch heute dankbar. Ich hatte also zum Glück nie so ein Gespräch, dass ich nicht dabei sein kann.
2014 waren sie bis kurz vor Saisonende im erweiterten Kreis. Traf es sie hart, dass sie dann nicht einmal ins Trainingslager des späteren Weltmeisters durften.
Jansen: Die Wahrheit ist, ich hätte damals nicht einmal die Relegation für den Hamburger SV spielen dürfen. Ich kam zurück nach einer Verletzung mit gerade einmal zwei Trainingseinheiten. Ich bin froh, dass es sich für den HSV ausgezahlt hat und für mich keine Schäden geblieben sind.
Manuel Neuer kommt auch nach einer langen Verletzungspause zurück. Können Sie seine Motivation verstehen?
Jansen: Absolut. Dieser Wunsch dabei zu sein, pusht einen total. Aber bei Manuel reden wir über ein anderes Level als damals bei mir. Er gehört zur Kategorie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo. Er wird alles tun, um dabei zu sein, ist aber auch klug genug, zu wissen, wenn es nicht geht.
Wie verfolgen Sie die WM?
Jansen: Wie viele andere auch. Mit meinen Kumpels in einer schönen Location. Einfach so vor dem Fernseher.
Sie haben ihre aktive Karriere sehr früh beendet. Wie sieht's sportlich aus?
Jansen: Ich bin da total easy. Im Landesliga-Team des HSV will ich dabei bleiben. Das hat mir Spaß gemacht.
Sie sind Botschafter für ein Unternehmen, das Menschen hilft, den Überblick auf dem Markt der Sportwetten zu behalten. Auf wen würden Sie fünf Euro bei der WM setzen?
Jansen: Deutschland. Wir haben eine tolle Mannschaft und in Toni Kroos auch einen dabei, der weiß, wie man Titel wiederholt. Aber es gibt auch andere gute Teams, Frankreich, Spanien und die Brasilianer, die ohne den Druck der Heim-WM sicher verbessert sein werden.
Zur Person: Marcell Jansen (32) spielte in der Bundesliga für Borussia Mönchengladbach, Bayern München und den Hamburger SV. Mit der Nationalmannschaft wurde er 2006 sowie 2010 WM-Dritter und 2008 EM-Zweiter. Sein Rücktritt als Profi im Alter von nur 29 Jahren löste Verwunderung und auch Kritik aus.