Mexiko feiert Achtelfinale und sich selbst
Recife (dpa) - Jetzt soll auch Oranje dran glauben! Nach dem ungewohnten Offensivspektakel beim 3:1 gegen Kroatien wollen die verblüffenden Mexikaner den Angriffswirbel von Arjen Robben & Co. stoppen.
„Das ist ein starkes Team, aber wir haben schon gegen das stärkste Team der Welt gespielt und nicht verloren“, sagte Trainer Miguel Herrera nach dem Achtelfinal-Einzug und kündigte vor dem Duell mit den Niederlanden am Sonntag selbstbewusst an: „Wir werden uns gut vorbereiten und überlegen, wie wir sie schlagen können.“
Mit Siegen gegen Kamerun und Kroatien und einem 0:0 gegen Gastgeber Brasilien hat sich die mexikanische Fußball-Nationalmannschaft mit nur einem Gegentreffer unter die besten 16 Teams der Welt katapultiert und die Menschen in der Heimat begeistert. Am Unabhängigkeitsdenkmal in Mexiko-Stadt strömten nach dem Abpfiff Hunderte Fans zusammen, schwenkten Nationalflaggen und skandierten: „México, México.“ Selbst Präsident Enrique Peña Nieto feierte das nicht unbedingt erwartete Überstehen der Vorrunde. „Welcher Stolz! Heute hat sich die Vorbereitung, die Haltung, die Spielfreude und der Esprit der Mannschaft gezeigt“, schrieb er auf Twitter und fügte voller Pathos und Patriotismus hinzu: „Es lebe Mexiko.“
Und das nach einer völlig verkorksten Qualifikation, in der drei Trainer ihren Job verloren. Erst vor den Playoffs gegen Neuseeland übernahm Herrera ein völlig verunsichertes Team und verhinderte gerade so das worst-case-Szenario: eine WM in Brasilien ohne Mexiko. Noch vor einem Jahr beim Confederations Cup scheiterte das Team nach teilweise peinlichen Darbietungen in der Vorrunde.
„Ich weiß nicht, ob ich der richtige Mann zur richtigen Zeit war“, sagte Herrera nach dem am Ende überzeugenden 3:1 (0:0)-Sieg gegen überforderte Kroaten bescheiden. „Aber ich weiß, dass ich hart für diesen Erfolg arbeite und dass ich dankbar dafür bin.“ Vor Stolz platzte beinahe der grüne Krawattenknoten, als der nur 1,68 Meter große Cheftrainer der Tri anfing zu philosophieren.
Über die Bedeutung seines Kapitäns Rafael Márquez, den alle im Team nur „the boss“ nennen. Der 35-Jährige erzielte nicht nur den Führungstreffer (72.), sondern rannte bei seiner vierten WM-Teilnahme unermüdlich wie Speedy Gonzalez den Platz rauf und runter. Über die Erfolge der Mannschaften aus der CONCACAF-Konföderation; über die enthusiastischen Fans; über Joker Javier „Chicharito“ Hernández, der nach dem zweiten Tor durch Leverkusens Andrés Guardado (75.) die Entscheidung herbeiführte (82.). Und natürlich über das Achtelfinale gegen Oranje an diesem Sonntag (18.00 Uhr) in Fortaleza.
Erst einmal aber erlaubte der strenge und auf Disziplin bedachte ehemalige Außenverteidiger seinen Spielern einen Feier-Abend. Die Familien durften zum Abendessen ins Mannschaftshotel in Recife kommen, der Rückflug ins WM-Quartier in Santos war erst für Dienstag gebucht. „Wir wollen den Abend genießen und dann mit der Vorbereitung auf den nächsten Gegner beginnen. Wir werden diese Arbeit mit der gleichen Intensität angehen wie bisher auch“, kündigte Herrera an.
Dem 46-Jährigen ist es seit seinem Amtsantritt tatsächlich gelungen, eine Mannschaft zu formen, die diesen Namen verdient. Herrera hat ein Gleichgewicht gefunden zwischen den Profis, die in der heimischen Liga ihr Geld verdienen, und den in Europa aktiven Akteuren wie Guardado, Hernández oder Angreifer Giovani dos Santos.
„Wir treten als Einheit auf, auf dem Platz und außerhalb des Platzes“, sagte der zum Man of the Match erkorene Team-Senior Marquez. „Wir kommen alle sehr gut miteinander aus, wir haben alle das gleiche Ziel: Wir wollen Geschichte für unser Land schreiben.“ Die Historie hat einen klaren Trend: Seit 1994 erreichte Mexiko jeweils das Achtelfinale und schied dann immer aus.
Dass der Wolfsburger Ivan Perisic in der 87. Minute noch auf 1:3 verkürzen konnte, geht ebenso nur noch in die FIFA-Statistiken ein wie die Rote Karte für Ante Rebic (89.), dem bei seinem Einsteigen mit dem gestreckten Bein der angestaute Frust anzumerken war.