Edeltechniker Özil wartet noch auf die große WM-Aktion
Santo André (dpa) - Mesut Özil kann an guten Tagen den Unterschied für Deutschland ausmachen. Auch Bundestrainer Löw wartet darauf, dass bei dem Ballzauberer der WM-Knoten platzt - am besten gegen die USA.
Es wird Zeit für ein großes Spiel von Mesut Özil in Brasilien - und das nicht nur beim Rugby. Beim Aufwärmspielchen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Training für das letzte WM-Gruppenspiel gegen die USA war es der schmächtige Spielmacher, der die jedoch recht körperlos geführte Partie mit dem Ei mit dem 5:3 für sein Team entschied. Als Empfehlung für die Rugby-Weltmeisterschaft 2015 mochte Özil die Aktion nicht einordnen: „Nein, ich bevorzuge nach wie vor mein Lieblingsspielzeug: Den Fußball.“
Die ganz großen Dinge wollten dem Edeltechniker mit seinem Freund „Brazuca“, dem WM-Ball, in den brasilianischen Stadien noch nicht gelingen. Das haben auch die deutschen Trainer registriert, aber Joachim Löw schenkt dem 25 Jahre alten Özil in der Offensive noch sein Vertrauen. „Mesut betreibt einen sehr hohen Aufwand. Er braucht vielleicht eine entscheidende Situation, dass ihm mal ein Tor gelingt“, meinte Löws Assistent Hansi Flick vor der Partie am Donnerstag gegen die USA.
Bei seiner ersten WM-Endrunde 2010 in Südafrika war Özil so ein großer Moment im letzten Vorrundenspiel gelungen. Beim 1:0 gegen Ghana bedeutete sein Traumtor mit links in der 60. Spielminute das Ticket fürs Achtelfinale. Flick hofft auf eine Wiederholung vier Jahre später in Recife gegen Jürgen Klinsmanns US-Boys: „Wir wünschen Mesut, dass er eine entscheidende Aktion hat und der Knoten platzt.“
Özil ist ein Spieler, der an guten Tagen den Unterschied ausmachen kann. Özil ist aber auch ein Spieler, der an weniger guten Tagen mit seiner auch von Löw zuletzt erstmals öffentlich kritisierten negativen Körpersprache ein Hemmschuh sein kann. Löws Taktik im Umgang mit dem sensiblen Regisseur lautet: „Selbstbewusstsein geben durch Gespräche und Vertrauen.“ Mesut sei besonders heiß auf die WM, sagte der Bundestrainer voller Hoffnung zu Turnierbeginn.
Noch in der Qualifikation für das WM-Turnier in Brasilien war Fan-Liebling Özil der überragende deutsche Feldspieler. Mit acht Toren in zehn Spielen war der Offensivspieler vom FC Arsenal der erfolgreichste deutsche Torschütze. Nach Torwart Manuel Neuer absolvierte er die meisten Minuten, 891 von 900 möglichen.
Im WM-Jahr jedoch ist Özil auf der Suche nach der verlorenen Leichtigkeit. Die Rekordablöse von 50 Millionen Euro für einen deutschen Fußballer scheint auch ein gewisser Ballast für ihn zu sein. Löw stand bislang fest zu Özil, aber er richtet das Spiel nicht mehr nach ihm aus. Im 4-3-3-System, das der Chefcoach bei der WM spielen lässt, gibt es die zentrale Spielmacherposition nicht mehr. Und auch den Status als Elfmeterschütze Nummer 1 hat Özil eingebüßt. Obwohl er viermal in Serie verwandelt hatte, durfte Thomas Müller gegen Portugal antreten und vom Punkt das 1:0 erzielen.
Özil fügt sich notgedrungen in seine neue Nationalmannschaftsrolle. „Ich fühle mich wohl“, versicherte er nach dem 2:2 gegen Ghana. „Der Bundestrainer entscheidet, wie wir spielen. Ich habe ja auch schon für Real Madrid oder für Arsenal auf der rechten Seite gespielt. Natürlich ist meine Lieblingsposition auf der Spielmacherposition. Aber rechts kann ich auch spielen. Ich habe alle Freiheiten.“
Aus diesen muss er aber mehr machen als in den ersten beiden WM-Partien. Tödliche Pässe sind das Markenzeichen des 57-maligen Nationalspielers, der nach Brasilien gereist ist, um Weltmeister zu werden - aber auf seine Art: „Ich bin ein Typ, der nicht durch das Kämpferische glänzt, sondern die Pässe spielt und vorne gefährlich ist. Das ist mein Spiel. Entweder kommt man damit klar oder nicht.“