Schwarze Liste, harte Strafen Russland will WM vor Hooligan-Gewalt schützen
Moskau (dpa) - Die Bilder haben sich eingebrannt: Brutal prügelten russische Hooligans, fast militärisch organisiert, bei der Europameisterschaft 2016 in Frankreich auf englische Fans ein.
Die schwersten Ausschreitungen bei einem Fußball-Großturnier seit fast 20 Jahren schüren nun Ängste vor Krawallen bei der bevorstehenden Weltmeisterschaft im Heimatland der Schläger. Doch mit einer harten Linie wollen die russischen Behörden ähnliche Bilder wie in Frankreich vermeiden. Vorbei scheinen zumindest die Zeiten, als Duma-Abgeordnete die Schlagkraft russischer Fans feierten.
Zu wichtig sei das Turnier für die Außendarstellung auch von Präsident Wladimir Putin, der sich soeben mit einem Rekord-Ergebnis im Amt bestätigen ließ, ist häufig zu hören. Kommentatoren verweisen immer wieder auf den friedlichen Verlauf des Confederations Cups 2017. Rechtzeitig zu dieser Generalprobe für die WM waren die Gesetze verschärft worden: Rowdys drohen monatelange Arreststrafen, hohe Geldbußen und Stadionverbote. Krawalle gab es beim Confed Cup nicht.
Mehr als 400 früher auffällig gewordene Fans stehen inzwischen auf einer schwarzen Liste der Behörden. Zur Abschreckung sind alle Störer mit Klarnamen im Internet zu finden. „Diejenigen, denen der Zutritt ins Stadion verboten ist, werden nicht hineingelangen“, kündigt WM-Cheforganisator Alexej Sorokin an.
Die Krawalle russischer Hooligans in Marseille 2016 sind ein Auslöser der harten Linie. Demonstrativ nahmen russische Spezialkräfte bald nach der EM einen der mutmaßlichen Rädelsführer, Alexander Schprygin, vor laufenden Kameras auf einer Hoteltoilette vorübergehend fest, seine Allrussische Fanvereinigung wurde vom russischen Fußballverband suspendiert. Der Fan von Dynamo Moskau gilt als einer der Köpfe der russischen Ultra-Szene, mit guten Verbindungen in die Politik.
Zur WM präsentiert sich Schprygin, Kampfname „Kamantscha“, als zahmer Fanclub-Chef. „Ich denke, dass das Sicherheitsniveau in Russland so hoch sein wird, dass etwas Größeres als damals in Marseille völlig unmöglich ist“, sagt der 40-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Für das Gespräch über Fangewalt hat er sich einen Ort ausgesucht, dessen Name von Ironie zeugt. „Brawler's Pub“ heißt die schummrige Bar im Südwesten Moskaus - die „Kneipe der Streithähne“.
Die Polizei habe russische Fans seit langem genau im Blick, erzählt Schprygin. Schon beim kleinsten Vorfall gebe es Verhöre. „Die Polizei reagiert sehr hart auf alle Verstöße.“ Auch deshalb sieht er keine Gefahr für Gäste aus dem Ausland.
Dabei verhehlt Schprygin nicht, dass es in der russischen Fußball-Kultur auch mal etwas ruppiger zugeht. „Sie (die Fans) pflegen einen gesunden Lebensstil. Sie gehen ins Fitnessstudio, machen Kampfsport, solche Dinge“, erzählt er.
Das Bild vom saufenden, übergewichtigen Schläger, das durch Auftritte englischer Hooligans aus den 1980er Jahren geprägt wurde - auch in Russland stimmt es längst nicht mehr. Vielmehr stößt es auf Verachtung in einer Fanszene, die oft ultranationalistisch bis rechtsextrem geprägt ist. Rechtsradikale Symbole sind in den Stadien häufig zu sehen, immer wieder kommt es zu Angriffen von Fußballfans auf Migranten aus Zentralasien oder dem Kaukasus.
Als radikalste Gruppen gelten Hooligans der Hauptstadtvereine Spartak und ZSKA Moskau, zwischen denen es immer wieder zu organisierten Massenschlägereien mit Dutzenden oder gar Hunderten Beteiligten kam. Berüchtigt sind zudem die Fans von Zenit St. Petersburg. Aber auch kleinere Clubs wie Ural Jekaterinburg oder FK Arsenal Tula haben gewaltbereite, rechtsextreme Anhänger.
Kürzlich berichtete die „Bild“-Zeitung, das Bundeskriminalamt (BKA) warne in einem Bericht vor der Gewaltbereitschaft von Teilen der russischen Fanszene. Das Sicherheitskonzept müsse nicht verändert werden, betont das WM-Organisationskomitee stets: „Szenarien für alle möglichen Arten von Angriffen wurden berücksichtigt.“
Ein Problem bleibt der Rassismus in Russland. Auch Schprygin war früher mit rassistischen Äußerungen aufgefallen. Fremdenfeindlichkeit belastet den Ruf der russischen Fankultur: Immer wieder bekommen das dunkelhäutige Spieler in der Liga zu spüren, und auch Akteure ausländischer Mannschaften klagten bei Europapokalspielen über „Affenlaute“ aus dem Fanblock. Erst vor wenigen Monaten erhielt der amtierende Meister Spartak Moskau von der FIFA einen Rüffel für ein Video: Der Verein hatte zwei seiner eigenen brasilianischen Spieler als „Schokoladen“ bezeichnet.