Die WM-Teilnehmer Teamporträt: Deutschland

Berlin (dpa) - Was Sepp Herberger, Helmut Schön und Berti Vogts als Nachfolger von Franz Beckenbauer vorenthalten blieb, will Joachim Löw am 15. Juli in Moskau perfekt machen.

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„Wir können Historisches schaffen: Weltmeister, Confed-Cup-Sieger und noch einmal Weltmeister - das hat es noch nie gegeben“, erklärte der ewige Bundestrainer zur WM-Endrunde 2018 in Russland und verkündete „das Maximum“ als Anspruch: „Das Ziel muss für uns alle sein, den Titel zu gewinnen.“ Auch Manager Oliver Bierhoff stellte das Unternehmen Titelverteidigung unter eine klare Überschrift: „Wir wollen in Russland wieder WM-Geschichte schreiben.“

Wie in Brasilien vor vier Jahren will der 58-jährige Löw, der als Zeichen des großen Vertrauens am Tag seiner Kader-Bekanntgabe mit einer Vertragsverlängerung bis 2022 geadelt wurde, das inzwischen veränderte deutsche Nationalteam in allen Belangen auf Topniveau bringen. Zwei Jahre lang testete und beobachtete der Bundestrainer über 40 Kandidaten. Einige Spieler wie der WM-Finaltorschütze von Rio, Mario Götze, oder der selbstbewusste Sandro Wagner wurden aussortiert, andere wie der Freiburger Länderspiel-Neuling Nils Petersen überraschend ins Aufgebot geholt. Aus 27 Akteuren wird Löw am 4. Juni seinen endgültigen 23-köpfigen WM-Kader benennen.

„Es wird ein ganz schwierige Aufgabe, wenn wir sehen, wo die vorangegangen Weltmeister gelandet sind“, mahnte Oliver Bierhoff. Denn die mutmaßlich größten Konkurrenten wie Spanien, Brasilien, Argentinien und Frankreich haben die Deutschen intensiv studiert und die eigenen Stärken vorangetrieben. Auch England und Belgien traut Löw eine positive Überraschung zu. „Jede Mannschaft wird gegen uns topmotiviert antreten. Als amtierender Weltmeister sind wir die Gejagten. Darauf müssen wir vorbereitet sein“, betonte Toni Kroos. Der Real-Madrid-Star ist einer von neun Brasilien-Siegern von 2014.

Löw hat die Veränderung vor allem in den jüngsten zwei Jahren vorangetrieben. „Es darf keinen Stillstand geben, wir brauchen immer Veränderungen“, unterstrich der international geschätzte DFB-Coach, der in sein sechstes großes Turnier als Hauptverantwortlicher geht. Immer erreichten seine Team mindestens das Halbfinale. Mit dem Confed Cup im Vorjahr hat er den Konkurrenzdruck gerade auch auf einige etablierte Kräfte stark erhöht. Die Auswirkung: Gleich 14 Akteure, die 2017 in Russland die WM-Generalprobe überraschend gewannen, hat Löw auch in sein vorläufiges WM-Aufgebot berufen.

Der Münchner Joshua Kimmich, der als einziger Spieler in allen zehn erfolgreichen WM-Qualifikationsspielen jede Minute dabei war, und der Leipziger Timo Werner haben sich zu neuen starken Kräften entwickelt. Dazu kommen der Dortmunder Marco Reus und England-Legionär Ilkay Gündogan, die nach langen Leidensgeschichten in Russland endlich bei einem Turnier eine Hauptrolle einnehmen wollen. Torhüter Marc-André ter Stegen ist beim FC Barcelona zu einem Weltklassemann geworden. Mit ihm könnte auch ein möglicher Ausfall von Kapitän Manuel Neuer annähernd kompensiert werden, falls der Bayern-Keeper nach monatelangem Zuschauen doch nicht richtig fit würde.

Entscheidend aber wird besonders sein, inwieweit Löw sowie sein ganzes Trainer- und Betreuerteam die verbliebenen Helden von 2014 erneut zu außergewöhnlichen Leistungen treiben können. Denn die Stammkräfte Jérome Boateng, Mats Hummels, Sami Khedira, Mesut Özil, Thomas Müller und Kroos müssen auch in Russland die Taktgeber sein. „Wir brauchen als Mannschaft noch mal eine Steigerung, wenn wir erfolgreich sein wollen. Wir müssen noch besser spielen als bei der WM 2014“, sagte der Bundestrainer deutlich. „Wir brauchen Spieler, die alle ein Topniveau erreichen. Und wir müssen das Glück haben, dass sich keine wichtigen Spieler verletzen.“

Die Aufgaben in der Gruppe F am 17. Juni in Moskau gegen Mexiko, am 23. Juni in Sotschi gegen Schweden und am 27. Juni in Kasan gegen Südkorea sind nicht im Vorbeigehen zu erledigen, aber gelten als machbar. Als Gruppensieger drohen auch in der K.o.-Runde von der Papierform her die ganz großen Brocken erst ab dem Viertel- oder sogar erst Halbfinale.

Eine Herausforderung wird es sein, in Russland die Spannung zu halten und die nötige Entspannung zu finden, obwohl es die einmalige Atmosphäre des legendären Campo Bahia als Wohfühloase diesmal nicht geben wird. „2014 hatten wir diesen Spirit im Team“, sagte Löw. Im Stammquartier in Watutinki - eigentlich das Trainingsgelände von ZSKA Moskau - abgelegen vor den Toren Moskaus soll das wieder gelingen. „Wir sind lange zusammen, die Mannschaft muss nicht nur auf dem Platz, sondern auf außerhalb funktionieren“, unterstrich Löw.

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