Terroranschläge in Nigeria überschatten WM-Erfolg
Porto Alegre (dpa) - Auch der Achtelfinaleinzug konnte Nigerias Coach Stephen Keshi nicht trösten. Der Schock über den tödlichen Bombenanschlag auf ein Einkaufszentrum im Zentrum der nigerianischen Hauptstadt Abuja saß immer noch zu tief.
„Wie viel Leben ist ein Fußballsieg wert?“, fragte Keshi nach der 2:3-Niederlage zum Vorrunden-Abschluss gegen Argentinien. Seine „Super Eagles“ schafften bei der Fußball-WM in Brasilien dennoch als erste afrikanische Mannschaft den Sprung in das Achtelfinale.
Mehr als 20 Menschen kamen bei der Explosion am Mittwochnachmittag, nur Stunden vor Beginn der Partie ums Leben. Und auch am folgenden Tag war unklar, inwieweit der Zeitpunkt der Gräueltat in direktem Zusammenhang mit der WM stand. Bereits in der vergangenen Woche hatte es, nur Stunden nach Nigerias erstem WM-Auftritt, bei einem Anschlag während einer Public Viewing-Veranstaltung in Damaturu mitten in der Begegnung Brasilien-Mexiko 14 Tote gegeben. Obwohl sich bisher niemand zu den Taten bekannt hat, wird die Terrorgruppe Boko Haram hinter beiden Anschlägen vermutet. Die Boko Haram lehnt jeden westlichen Lebensstil ab und hält Fußball für „unislamisch“.
Keshi wirkte selbst in der Stunde des sportlichen Erfolgs bedrückt. „Was machen diese Kerle nur? Sie haben es beim ersten Spiel gemacht und jetzt wieder. Das ist so traurig“, sagte er sichtlich erschüttert. Knapp 1000 nigerianische Fans unterstützten seine Mannschaft beim Spiel gegen die Argentinier in Porto Alegre. Einige trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Fußball gegen Boko Haram“. Nigerias Kapitän Joseph Yobo versprach, die Mannschaft wolle alles tun, um mit positiven Schlagzeilen in Brasilien wenigstens für „etwas Hoffnung und Ablenkung“ in der Heimat zu sorgen.
Die sportliche Aufarbeitung des Duells mit Argentinien war relativ schnell erledigt. Keshi registrierte zwar die spielerische Verbesserung seiner Mannschaft, der Auftritt in der ersten Hälfte gefiel ihm allerdings gar nicht. „Wir haben zu viel Respekt gezeigt“, bemängelte der 52 Jahre alte Glatzkopf. Im Achtelfinale am Montag in Brasília gegen Frankreich sollten seine Spieler ihre Zurückhaltung aus dem ersten Durchgang ablegen.
„Wir müssen noch härter arbeiten, um ins Viertelfinale zu marschieren“, erkannte auch Doppeltorschütze Ahmed Musa, der nach der Partie der wahrscheinlich glücklichste Nigerianer war. „Gegen ein großartiges Team wie Argentinien zwei Tore zu schießen, ist ein fantastisches Gefühl.“ Kapitän Yobo lobte nach seinem 100. Länderspiel für Nigeria: „Die Jungs haben alles gegeben. Ich bin total stolz auf sie.“ Wenn nur die schrecklichen Bilder aus der Heimat nicht wären.
So wurde auch die Diskussion um Keshis Zukunft zum Randaspekt. Der Coach des Afrikameisters ärgert sich bereits seit Tagen über den Gegenwind aus der Heimat und hat vom Verband immer wieder mehr Respekt für seine Arbeit eingefordert. Der einstmals furchtlose Vorstopper kennt das schnelllebige Trainergeschäft nur allzu gut - vor allem in Afrika. Eine harmonische Beziehung wird es zwischen ihm, dem Verband und den heimischen Medien wohl nicht mehr geben. Daran hat auch das Weiterkommen wenig geändert, aber Keshi muss sich wenig Sorgen machen: Er wird schon als neuer Auswahltrainer Südafrikas gehandelt. „Ich habe viele Interessenten“, bestätigte er vor ein paar Tagen. „Südafrika ist einer davon.“