Vielflieger: Klinsmann mit USA Reise-Weltmeister

São Paulo (dpa) - Einen Titel hatte Jürgen Klinsmann bei dieser WM schon vor dem ersten Spiel gegen Ghana sicher: Deutschlands Gruppengegner USA ist der Reise-Weltmeister der Vorrunde.

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Zu ihren drei Partien in der Gruppe G in Natal, Manaus und Recife legen die „Klinsmänner“ knapp 14 500 Flugkilometer zurück. Das komplette Gegenteil sind die Belgier, die zu ihren Spielen quasi mit dem Bus fahren könnten. Das Team von Marc Wilmots tritt in Belo Horizonte, Rio de Janeiro und São Paulo an und hat somit eine Gesamtreiseroute von gerade mal 720 Kilometern vor sich.

Klinsmann hatte sich bereits vor der Gruppenauslosung Anfang Dezember auf São Paulo als WM-Quartier festgelegt - und diese Entscheidung auch beibehalten, als klar war, dass die Amerikaner ihre Vorrundenpartien im Norden und Nordwesten des Landes austragen. Zum Vergleich: vor vier Jahren betrugen die Entfernungen für die „Yanks“ zu ihren Vorrundenpartien in Südafrika insgesamt nur etwas mehr als 300 Kilometer - weshalb das Team jeweils mit dem Bus anreiste.

„Damals hatten wir den einfachsten Reiseplan von allen, jetzt den schwersten. Das sind Sachen, die können wir nicht kontrollieren“, sagt Verbands-Präsident Sunil Gulati. Allerdings verweist er darauf, dass die brasilianischen Bedingungen für die US-Spieler nichts Neues sind. Auch Mittelfeldmann Michael Bradley klingt gelassen, wenn er über Entfernungen und verschiedene Zeit- und Klimazonen redet. Wer in Amerika aufwächst, dem sind Langstreckenflüge ebenso wie trockene, heiße oder schwülwarme Bedingungen bestens vertraut.

„Jürgen Klinsmann hat nicht umsonst gesagt, dass dies eine WM der Geduld wird, bei der man wissen muss, wie man mit den Bedingungen klarkommt und imstande sein sollte, sich manchmal auch zu quälen“, so Bradley. Er ist einer von zehn Profis im US-Kader, die in der Major League Soccer (MLS) spielen. Zwischen ihren Vereinen liegen rund 4200 Kilometer. Kapitän Clint Dempsey beispielsweise stürmt für den Seattle Sounders FC im äußersten Nordwesten, Bradley lenkt beim Toronto FC das Spiel, und Brad Davis verdient seine Dollars bei Houston Dynamo im tiefsten Texas.

Wenn die Akteure aus den europäischen Ligen - unter anderem der Bundesliga - zu den WM-Qualifikationsspielen über den Atlantik fliegen, sind es schon bis zur US-Ostküste knapp 5000 Kilometer. Bei Auswärtsspielen in der Karibik oder Heimpartien in Kalifornien kommt fast die gleiche Distanz noch einmal hinzu.

„Viele andere Länder haben sich negativ über die Reiserei geäußert und versuchen immer noch, damit klarzukommen. Wir hingegen freuen uns drauf“, betont Bradley. Klagende Worte kamen indes von den Italienern. Die „Squadra Azzurra“ hat nach den Amerikanern die weitesten Reiserouten zu absolvieren und deshalb gibt man sich bei weitem nicht so cool wie Klinsis Kicker.

„Die Reisen, die langen Inlandsflüge, das hält dich sowohl vom Trainieren als auch von der Erholung ab. Und dann ist drei oder vier Tage später bereits die nächste Partie. Das wird ein Problem sein“, hatte Nationaltrainer Cesare Prandelli bereits vor dem Turnierstart moniert.

Die Amerikaner fliegen jeweils umgehend nach den Partien zurück nach São Paulo. Es gibt jedoch Überlegungen, nach dem Spiel am 22. Juni in Manaus gegen Portugal womöglich auf den knapp 4700 Kilometer langen Umweg über Brasiliens Mega-Metropole zu verzichten. Denn nur vier Tage später treffen die USA in Recife auf Deutschland. Sollten sie dann noch eine Chance aufs Achtelfinale haben, wäre Vielfliegerei sicherlich keine optimale Vorbereitung.