Aushilfs-Linksaußen Werner zündet auch ohne Tor - Lieblingsposition „vorne drin“
Watutinki (dpa) - Auf sein erstes WM-Tor wartet Timo Werner noch. Aber dieser Umstand, der für jeden Stürmer der Welt nervig ist, kann die Freude und Lust des Fußball-Jungstars an der Weltmeisterschaft in Russland nicht trüben.
„Ich spiele meine erste WM. Ich habe jetzt zweimal erlebt, wie das ist, ins Stadion einzulaufen. Das ist ein Gefühl, das kann man gegen kein Geld der Welt eintauschen. Ich habe Champions League gespielt, ich habe Bundesliga gespielt, aber das ist nicht mit einer WM zu vergleichen“, sagte der 22-Jährige.
Timo Werner muss man einfach mögen, auch wenn mancher Fan in Deutschland damit anfangs Probleme hatte. Der Angreifer von RB Leipzig hatte sich mal eine Schwalbe gegen Schalke geleistet. Dafür gab es lange Pfiffe, selbst im Nationaltrikot. Der gebürtige Stuttgarter versteckt sich nicht hinter branchenüblichen Floskeln, sondern agiert auch auf dem Podium im DFB-Medienzentrum in Watutinki so erfrischend unbekümmert wie auf dem Spielfeld.
Dort war er beim 2:1 gegen Schweden ein Erfolgsfaktor. Werner bereitete das Ausgleichstor seines neuen Kumpels Marco Reus vor. Und er holte in der Nachspielzeit den Freistoß heraus, den Toni Kroos zum erlösenden Sieg verwandelte. Zwei Tage später erzählte Werner: „Es war die letzte Hoffnung auf eine Torchance, nicht auf ein Tor. Richtig dran geglaubt hat man auch nicht, so ehrlich kann man ja auch sein.“ Und genauso ehrlich sind nicht viele im Profi-Gewerbe.
Werners Aktionen als Torvorbereiter waren auch aus der Not heraus entstanden. Denn als Linksaußen bot Bundestrainer Joachim Löw den schnellen Angreifer nach dem 0:1 zur Pause auf. Der wuchtige Mario Gomez kam in die Spitze, und Werner überrannte auf dem Flügel die kantigen Schweden-Verteidiger. „Es war ein guter Schachzug, als Timo über links kam. Da kam Speed rein, das kann eine gefährliche Waffe sein“, erklärte Profiteur Reus.
Als Flügelstürmer zündete Werner, aber eine neue WM-Rolle sieht er für sich deswegen nicht. „Meine Lieblingsposition ist vorne drin“, antwortete er, auch da erfrischend ehrlich. Er trägt ja auch gleich bei seinem ersten WM-Turnier die 9 auf dem Trikot, die Nummer der großen deutschen Mittelstürmer. Zwei torlose WM-Spiele machen ihn aber noch nicht nervös. „Nee, gar nicht“, antwortete er. „Natürlich ist man Stürmer und will immer Tore schießen. Aber wichtig ist mir, dass wir hier weiterkommen, dass wir Spiele gewinnen und ich das Gefühl des Einlaufens ins Stadion noch fünfmal habe.“ Bis zum Finale.
Werner will dazu beitragen. „Und wenn es mit Toren klappen sollte, wäre es umso schöner.“ Beim Confederations Cup 2017, als er ebenfalls in Russland bei seinem ersten Nationalmannschafts-Turnier auf Anhieb nach drei Treffern mit dem Goldenen Schuh als bester Torschütze ausgezeichnet wurde, klappte es auch nicht auf Anhieb. Das Warten dauerte bis zum letzten Gruppenspiel. Beim 3:1 gegen Kamerun gelang Werner ein Doppelpack. Südkorea wäre also ein passender Zeitpunkt.
Werners DFB-Quote ist gut. 16 Länderspiele, acht Tore lautet sie. Er ist zudem dankbar für die Unterstützung eines erfahrenen Stürmers wie Mario Gomez (77 Länderspiele, 31 Treffer). „Er ist immer der Erste, der bei mir ist“, äußerte Werner über den 32 Jahre alten Teamsenior: „Ich glaube nicht, dass es das bei vielen Mannschaften gibt, dass der Konkurrent einen so unterstützt.“
Thomas Müller, der 2010 als 20-Jähriger bei seiner ersten WM in Südafrika mit fünf Treffern auf Anhieb Torschützenkönig wurde, will Werner keinen Tordruck auferlegen. „Die jungen Spieler müssen frei sein, damit sie funktionieren“, sagte der heute 28-Jährige.
Auch bei ihm sei damals die Unbekümmertheit ein Erfolgsfaktor gewesen, sagte der Münchner, der in Russland die Unbeschwertheit früherer WM-Turniere vermissen lässt. „2010 hatte ich nicht den Eindruck, dass ich für den Erfolg der Mannschaft verantwortlich war. Ich war ein Baustein.“ Ein solcher Baustein könnte jetzt Werner sein.