Deutschland - Tschechien Zauberpässe von ganz hinten
Die Innenverteidiger im DFB-Team überzeugen im zweiten WM-Qualifikationsspiel auch mit wertvollen Offensivimpulsen.
Hamburg. Beinahe hätte der schöne Abend des Jérôme Boateng ein gar nicht schönes Ende bekommen. Und das nur, weil der deutsche Abwehrchef über all die souveräne Lässigkeit hinaus, mit der er beim 3:0 gegen Tschechien glänzte, auch noch einen Job als Ausputzer zu verrichten hatte.
Eigentlich gibt es Ausputzer schon lange nicht mehr. Ausgestorben sind sie, hinweggerafft von den Erfordernissen des modernen Fußballs. Ein Weltklasse-Innenverteidiger heutiger Prägung muss spielerische Lösungen finden. Jérôme Boateng gelang das im zweiten WM-Qualifikationsspiel ganz famos. Aber dann kam die 56. Minute.
Ladislav Krejci war gefährlich in der deutschen Hälfte aufgetaucht. Boateng musste retten. Er beherrscht auch das traditionelle Handwerkszeug sehr gut. Es war eine perfekte Manndeckergrätsche, mit der Krejci den Ball los wurde. Doch als Boateng wieder stand, humpelte er.
Schon wieder eine Verletzung? Es sah einige Minuten lang sehr danach aus. Der Verteidiger vom FC Bayern München schien seine Auswechslung zu wünschen. Er ist ja erst kürzlich nach einer schweren Muskelverletzung wieder voll ins Wettkampfgeschehen eingestiegen.
Doch dann ging's plötzlich wieder. Und so konnte sich Jérôme Boateng nach dem Schlusspfiff Komplimente abholen für all die großartigen Aufbaupässe, die er gespielt hatte. "Von hinten raus waren wir sehr gut“, sagte Bundestrainer Joachim Löw. “Mit unseren Diagonalbällen konnten wir die Abwehr immer wieder aufreißen.“ Genau so habe man es im Training zwei Tage vor dem Spiel gegen die Tschechen eingeübt. “Ein Ziel ist ja immer, möglichst viele Gegner mit einem Pass zu überspielen.“
Löw sah mit Freude die zentimetergenau auf dem Flügel ankommenden Spitzenpässe über 60 Meter. Boateng, aber auch dessen Nebenmann Mats Hummels hätten es “überragend gemacht“, schwärmte der Trainer. “Unsere beiden Innenverteidiger haben das Spiel nach vorne jederzeit gut ausgelöst und in der Defensive ohne Fehl und Tadel agiert.“
Für Jérôme Boateng war das nix besonderes. Ein wenig verwundert sagte er zu dem RTL-Reporter, der ihn fragte, wie er denn auf solche 60-Meter-Pässe komme: “Ich denke, dass ich es trainiert habe, schon seit ich viel jünger war. Ab und zu gelingt es mir dann ganz gut, den Ball an den Mann zu bringen.“ Ganz gut. Soso.
Auch sehr schön war Boatengs Offensivaktion in der 44. Minute, als er am tschechischen Strafraum erst Krejci elegant ins Leere rutschen ließ, um den Ball dann mit einem lässigen Hackenpass weiterzuspielen. Das war zum Zungeschnalzen. Und rustikal grätschen kann Jérôme Boateng halt auch, wenn es mal nötig ist.
Die deutschen Kicker haben sich auch fürs Dienstagabend-Spiel gegen Nordirland viel vorgenommen. Oder, Herr Hummels? “In der letzten Qualifikation haben wir keinen guten Start gehabt, das wollen wir diesmal anders machen. Momentan sind wir da sehr fokussiert und es sieht gut aus."
Manchmal sieht es sogar sehr gut aus, was Jogis Jungs an spielerischer Klasse zeigen. Weil Jérôme Boateng aber doch ein bisschen angeschlagen ist, wird er in Hannover womöglich nicht auflaufen können.