Abstiegsangst: Großwallstadt vor letzter Chance
Großwallstadt (dpa) - Mitten in der wahrscheinlich schwersten Krise der Vereinsgeschichte beschwört der TV Großwallstadt noch einmal seine große Vergangenheit.
Bis zum Ende des Monats können die Fans im Internet die „Jahrhundert-Sieben“ dieses bedeutenden Stücks deutscher Handball-Geschichte wählen. Die meisten Stimmen werden vermutlich Namen wie Kurt Klühspies, Martin Schwalb oder Uli Roth erhalten, denen der Club insgesamt sieben deutsche Meisterschaften und je vier Pokal- und Europacup-Siege verdankt.
Die Gegenwart des TVG ist deutlich weniger glorreich. Am Mittwoch bestreitet der Tabellen-16. sein „wirklich allerletztes Endspiel“, so Trainer Peter David, gegen den punktgleichen Aufsteiger TV Neuhausen. „Das müssen wir einfach gewinnen. Sonst ist alles vorbei“, meinte der Coach. Es wäre der erstmalige Absturz aus der Handball-Bundesliga.
Und als wäre die sportliche Misere mit vier Punkten Rückstand auf einen Nicht-Abstiegsplatz nicht schon groß genug, richtete ein eintägiger Trainingsstreik der Spieler am vergangenen Freitag auch noch alle Aufmerksamkeit auf die wirtschaftlichen Probleme des Traditionsvereins. „Wir warten nun schon länger auf unsere Gehälter, die Stimmung war daher im Keller“, erklärte Kapitän Sverre Jakobsson.
Mittlerweile haben er und seine Teamkollegen das Training längst wieder aufgenommen und auch die ausstehenden Gehälter sollen definitiv noch vor dem Spiel gegen Neuhausen überwiesen werden, wie Geschäftsführer Guido Heerstraß der Nachrichtenagentur dpa bestätigte. Dennoch ist Trainer David um die Aufgabe nicht zu beneiden, seine Mannschaft unter solchen Umständen auf das vielleicht wichtigste Spiel der vergangenen Jahre vorzubereiten.
„Die Mannschaft hat im Training schon am Sonntag wieder 100 Prozent gegeben“, sagte der Slowake. „Für uns gibt es jetzt nur das Spiel am Mittwoch, bis dahin blenden wir alle Nebenschauplätze aus.“
Vielleicht treibt es die Spieler an, dass sie jeden Tag erleben, was dieser Verein für die Region Mainfranken bedeutet. Die Gemeinde Großwallstadt hat nur rund 4000 Einwohner, aber trotzdem einen der ruhmreichsten Handball-Clubs der Welt hervorgebracht. Das macht stolz, das schafft Identifikation - oder wie Peter David es formuliert: „Diese Tradition, dieses Umfeld: Das ist etwas ganz Besonderes. Es wäre eine Katastrophe, wenn wir absteigen.“
In diesem Fall müsste der TVG für seine Fehler in der jüngeren Vergangenheit büßen. Beim Versuch, wenigstens halbwegs an alte Erfolge anzuknüpfen, hat sich der Verein irgendwann übernommen. Großwallstadt hat kein finanzstarkes Umfeld wie Hamburg oder Berlin und auch keinen Großsponsor wie MT Melsungen. In der Folge gingen zuletzt Jahr für Jahr die besten Spieler weg.
Immerhin: Geschäftsführer Heerstraß spricht von einem „Konsolidierungskurs“ und davon, in den vergangenen Wochen „neue Liquidität“ gewonnen zu haben. „Ich versichere, dass wir im Hintergrund sehr hart und sehr viel arbeiten.“
Das Problem ist nur: Selbst wenn Großwallstadt Neuhausen schlagen sollte, müsste man danach immer noch gegen Balingen und mindestens ein Auswärtsspiel gewinnen. Und selbst wenn Großwallstadt den Klassenerhalt schaffen sollte, würde die Handball-Bundesliga wohl einen ihrer großen Traditionsclubs verlieren: Auf dem ersten Nicht-Abstiegsplatz steht der zwölffache Meister VfL Gummersbach.