Handball: Was die Rückkehr des Bergischen HC in die erste Liga famos macht

Die Zweitliga-Handballer des Bergischen HC wollen am Freitag den Aufstieg in die erste Liga perfekt machen. Nach toller Rekordjagd — und das alles acht Spieltage vor dem Saisonende.

Foto: Stefan Fries

Solingen/Wuppertal. Eine echte Zugnummer ist der Wilhelmshavener HV als Tabellen-15. der 2. Handball-Bundesliga nicht. Und Freitagabend-Spiele sorgen normalerweise auch nicht für Zuschauer-Rekorde. Trotzdem kann der Bergische HC ziemlich sicher sein, dass die rund 2600 Plätze in der Solinger Klingenhalle am Freitag ab 19 Uhr bis auf den letzten besetzt sein werden. Nach 56:4 Punkten im bisherigen Saisonverlauf kann der Profi-Club aus Wuppertal und Solingen mit einem Sieg über Wilhelmshaven den Aufstieg in die stärkste Liga der Welt am 31. von 38 Spieltagen perfekt machen.

BHC-Chef Jörg Föste hat eine rauschende Party versprochen. Es wird, wenn nicht am Freitag, dann an einem anderen Spieltag der dritte Erstliga-Aufstieg der 2006 gegründeten „Bergischen Löwen“ werden. Wie nach dem ersten Abstieg 2011/12 wird der „Betriebsunfall“ nach nur einer Saison korrigiert. Bisher wurde der rechnerische Aufstieg zweimal auswärts erreicht — auch deshalb wollen die Spieler um Kapitän Kristian Nippes (30, Löwe seit 2011) und ihre Fans den großen Tag diesmal unbedingt in heimischer Halle feiern.

Die aktuelle Saison stellt sich als bislang einzigartige Rekordjagd der Löwen dar, die schon in der Saisonvorbereitung mit Siegen über etliche Erstligisten enormes Potenzial angedeutet hatten. Dem aktuellen Heimspiel zum Trotz gilt auch in der 2. Handball-Bundesliga: Aufgestiegen wird auswärts. Dass der BHC bislang jedes seiner 15 Auswärtsspiele gewonnen hat, spricht eine klare Sprache. 15 Siege in Folge und 30:0 Punkte bedeuteten auch einen Zweitliga-Startrekord, der mit einer Heimniederlage am 2. Dezember gegen den VfL Lübeck-Schwartau endete.

Der gerade Weg zurück ins Oberhaus stand indes nie in Frage. Wenn vom besonderen Weg des Bergischen HC die Rede ist, dann meist in Zusammenhang mit seinem Trainer Sebastian Hinze. Der 38-Jährige ist als Wuppertaler eine Integrationsfigur, spielte selbst noch jahrelang für den BHC. Mit ihm und den Löwen passt das seit nunmehr sechs Jahren, in denen der Verein unverbrüchlich zu seinem Übungsleiter hielt, der bei seinem Einstieg, damals für die letzten Spiele in der Erstliga-Abstiegssaison 2011/12, erst 32 Jahre alt war. Mit ihm realisierte der BHC den sofortigen Wiederaufstieg, stattete Hinze mit einem langfristigen Vertrag bis 2018 aus. An dem auch nicht gerüttelt wurde, als es in den folgenden vier Erstliga-Jahren immer wieder Durststrecken gab, die wenige Trainer im Profi-Geschäft überlebt hätten.

„Wir sind überzeugt, dass er der bestmögliche Trainer für uns ist. Er besitzt überragende Fähigkeiten in der Spielanalyse und der inneren Führung“, hatte BHC-Macher Jörg Föste noch im Winter 2017 gesagt, als der Verein mit nur fünf Punkten schier hoffnungslos das Tabellenende der Eliteklasse zierte. „Das liegt nicht am Trainer“, sagte Föste damals und sah sich durch die 17:15 Punkte, die die Mannschaft unter dem selben Trainer danach noch holte, bestätigt. In jeder anderen Saison hätte das wohl zum Klassenerhalt gereicht.

In diesem Winter haben beide Seiten den Vertrag über das Saisonende hinaus verlängert - mit ungenannter Laufzeit, aber „langfristig“, wie beide betonen. Dass Hinze sich vor der Vertragsverlängerung fast zwei Monate Bedenkzeit nahm, lag nicht an anderen Angeboten. Die hatte er durchaus, wie er versichert. Es lag allein daran, dass er sich überprüft habe, ob es das noch sei, was er wolle. Ergebnis: Ein klares „Ja“. Das sieht man Hinze in seiner emotionalen Art an der Linie auch an. Dabei ist er kein Einpeitscher. Sich selbst zu motivieren, erwartet er von jedem Profi, gibt seinen Jungs vielmehr detailliert das taktische Rüstzeug mit. Für Hinze spricht auch, wie schnell sich die Mannschaft in der zweiten Liga gefunden hat, nachdem sie im Sommer auf nicht weniger als sieben Positionen verändert worden war.

Für die gesamte sportliche Führung, zu der auch noch Jörg Föste und bis Dezember die langjährige Ikone Viktor Szilagyi gehörten (jetzt Sportdirektor beim THW Kiel), spricht, mit welchem Gespür für „bezahlbare“ Klassespieler der sportliche Umbruch nach dem Abstieg vollzogen wurde. Schon im Dezember 2016 — mit nur fünf Pluspunkten musste zumindest zweigleisig geplant werden — waren die meisten Transfers unter Dach und Fach.

Dass von den Neuen mit den Schweden Max Darj und Linus Arnesson zwei in diesem Frühjahr Vize-Europameister wurden — den Sprungwurf von Arnesson ohne Anlauf kennt jetzt ganz Europa — und die Tschechen Leos Petrovsky und Milan Kotrc dort auf Rang sechs landeten, ist Beleg dafür, dass der BHC früher als andere das Potenzial dieser Spieler erkannt hat.

Ausgezahlt hat es sich auch, bis auf Routinier Csaba Szücs aus Hannover, den die Verantwortlichen nach einem Achillessehnenriss wieder aufbauten, bei der Neuzusammenstellung fast ausschließlich auf jüngere Feldspieler gesetzt haben. Dass es in dieser Saison kaum Verletzte gab, war sicher auch diesem Umstand geschuldet. Wie der Tatsache, dass der BHC auf jeder Position doppelt stark besetzt ist. Die Mischung zwischen „Shootern“, schnellen kleineren Spielern und kampfstarken „Schränken“, sowie zwischen Spielern, die schon länger dabei und jenen, die neu hinzugekommen sind, scheint zu passen. Wobei man sich für die erste Liga nur noch punktuell verstärkt, etwa durch Göppingens Halblinken Daniel Fontaine.

Wirtschaftlich präsentiert sich der BHC gesund mit einer starken Sponsoren-Struktur aus Wuppertaler und Solinger Unternehmen. In der neuen Saison dürfte der in der 2. Liga etwas heruntergefahrene Etat wieder die Drei-Millionen-Euro-Marke durchstoßen. In Solingen steht der Bau eines sechs Millionen Euro teuren Trainingszentrums in den Startlöchern.

Ganz sorgenfrei sind die Löwen trotzdem nicht. Weder die Wuppertaler Unihalle (3200 Zuschauer) noch die Solinger Klingenhalle entsprechen Erstliga-Standard. Und der schon länger geplante Bau einer modernen Arena auf der Stadtgrenze zwischen Solingen und Wuppertal ist bislang nicht wirklich vorangekommen.