Hndball EM Dänemark: Der haushohe Favorit

Handball-EM: Dänemark ist das einzige Team im Turnier, das alle Spiele gewonnen hat. Ex-Nationalspieler Jacobsen glaubt fest an einen Sieg über Deutschland

Foto: Maciej Kulczynski

Breslau. „Hey, Nico, hey“, riefen die Kieler Zuschauer um die Jahrtausendwende stets, wenn ihr Linksaußen für den THW wieder ein Tor erzielt hatte. Nicolaj Jacobsen dankte es den Fans oft mit einer in die Luft gereckten Faust. „Hey, Nico, hey“ ist heute 44 Jahre alt, er trainiert den Bundesliga-Spitzenreiter Rhein-Neckar Löwen und arbeitet seit 15 Jahren bei großen Handballturnieren für den dänischen Fernsehsender TV 2.

Er gibt gemeinsam mit Lars Christiansen, dem anderen großen dänischen Linksaußen, den Stefan Kretzschmar. Jacobsen analysiert, kommentiert und prognostiziert. „Das macht mir unheimlich viel Spaß. Diese Arbeit möchte ich ungerne aufgeben“, sagt er vor dem Endspiel der Hauptgruppe 2 zwischen Deutschland und Dänemark (18.15 Uhr/ARD).

Zu Hause in Mannheim bei den Löwen wird er derzeit nicht vermisst. „Ich habe das erste Training noch geleitet — mit zwei Spielern. Mittlerweile haben vier mit dem Krafttraining begonnen“, erzählt Jacobsen. Der Rest seines Kaders spiele in Polen.

Bei der europäischen Leistungsschau haben ihn die deutschen Spieler sehr positiv überrascht, „besonders wenn man berücksichtigt, dass ihnen derart viele Verletzte fehlen“. Regelrecht beeindruckt ist er von „The German Wall“, dem deutschen Innenblock. „Lemke, Pekeler und Schmidt machen das sehr gut. Lemke hatte ich so eine Leistung nicht zugetraut, weil er in Magdeburg nicht genügend Spielanteile hatte“, so Jacobsen. Seinen Schützling Hendrik Pekeler hält er „für den besten deutschen Abwehrspieler“. Und der Coach hat registriert, dass „Peke das Turnier mit Ausnahme der Anfangsphase gegen Russland richtig gut tut“.

Die Ausfälle von Steffen Weinhold und Christian Dissinger bezeichnet Jacobsen als „Rückschlag. Du bist jetzt mit dem Team ein, zwei Schritte nach vorne gegangen. Jetzt kommst du ins Stocken“. Deshalb ist der Däne der Meinung, dass die DHB-Auswahl gegen sein Heimatland nicht wirklich eine Chance hat. Er drückt es diplomatisch aus: „Deutschland war vorher nicht Favorit und ist es jetzt auch nicht.“ Seine Dänen sieht Jacobsen auf einem „guten Weg, obwohl sie bisher lediglich okay gespielt haben. Am Anfang des Turniers gab es in der Deckung doch einige Verunsicherung“.

Außerdem hat er wahrgenommen, dass „wir die erste Halbzeit oft nur so lala spielen und die zweite dann überragend“. So geschehen beim „Kampf der Titanen“ gegen Spanien, als die Dänen bis zur 45. Minute einem zeitweise 4-Tore-Rückstand hinterherliefen, urplötzlich den Spieß umdrehten und schließlich sicher mit 27:23 gewannen. „Es gibt keine andere Nation in der Welt, die eine bessere Bank hat als wir. Wir haben die größte Breite im Kader. Deshalb können wir fast beliebig wechseln“, sagt Jacobsen.

Als Mittelmann Rasmus Lauge krank wurde, sprang als Spielgestalter Mads Mensah Larsen ein. In der Hinterhand haben die Skandinavier weiterhin noch Michael Damgaard, der gegen die Spanier groß auftrumpfte, sowie Superstar Mikkel Hansen, der in einigen Partien geschont wurde. Dazu kommt eine bärenstarke 6:0-Deckung mit dem Ausnahmekeeper Niklas Landin im Tor. „Wenn du Dänemark schlagen willst, musst du eine bessere Verteidigung stellen und einen besseren Torwart haben“, prognostiziert Nicolaj Jacobsen.

Da er das am Mittwoch für unwahrscheinlich hält, glaubt er fest an einen Erfolg von „Danish Dynamite“. Bei der EM traut er dem WM-Fünften, der die einzige Nation ohne Punktverlust ist, „auf jeden Fall das Halbfinale und auch noch ein bisschen mehr zu“. Die Spanier habe man schon geschlagen, die Franzosen seien mit einem sehr kleinen Kader in Polen. Blieben noch die Gastgeber, die mit ihren 15.000 Zuschauern im Rücken einen unglaublichen Druck ausüben könnten. Von Deutschland war bei dieser Aufzählung keine Rede mehr.