Der Biegler-Spagat: Deutscher Trainer in Polen
Aarhus (dpa) - Michael Biegler wollte weg, einfach nur weg. Nach dem bitteren 19:20 seines polnischen Teams im ersten Gruppenspiel der Handball-Europameisterschaft gegen Serbien spurtete der deutsche Trainer durch die Mixed-Zone, hüpfte über ein Absperrband und verschwand in der Kabine.
Biegler war sauer, dass seine Mannschaft zu viele Chancen ausgelassen hatte, um gegen den EM-Zweiten von 2012 erfolgreich ins Turnier zu starten. Vor den weiteren Gruppenpartien am Mittwoch gegen Frankreich und am Freitag gegen Russland steigt der Druck auf das polnische Team und seinen deutschen Coach gewaltig.
Seit gut einem Jahr trainiert der 52-Jährige die Polen und erhielt bei der Vertragsunterschrift einen klaren Auftrag: Bei der EM in zwei Jahren in Polen soll er sein Team zum Gewinn einer Medaille führen. Daher muss er in diesen Tagen einen gewaltigen Spagat bewältigen. Zum einen wollen die sportverrückten Polen auch in Dänemark schon Erfolge ihres Teams sehen, auf der anderen Seite muss Biegler Strukturen und Spieler entwickeln, um damit in zwei Jahren medaillenfähig zu sein.
„Ich muss immer zweigleisig denken“, sagt Biegler. Er ist gerade dabei, seinen Akteuren eine neue Spielidee zu vermitteln. Über viele Jahre war die Offensive auf die starken Individualisten ausgelegt, Biegler verlangt hingegen, dass der ausgearbeitete Match-Plan bis ins Detail eingehalten wird. „Das ist ein spannender Prozess“, erklärt der Mann, der in Jacek Bedzikowski einen Co-Trainer an der Seite hat, der lange in Deutschland gespielt und als Dolmetscher fungiert hat.
Biegler ist als Trainer viel herumgekommen, hat noch mehr gesehen und erlebt. Seit 1985 arbeitet er als Co- und Cheftrainer, zwölf Vereins-Mannschaften hat er betreut, darunter die Bundesligisten SC Magdeburg, Wilhelmshavener HV und den TV Großwallstadt. Zwischen 1993 und 1996 war er zudem Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft. „Beagle“, wie er in Handballer-Kreisen genannt wird, ist eine Marke - und es gibt niemanden, der an seiner fachlichen Kompetenz zweifelt.
Allerdings hat er sich in den zurückliegenden 20 Jahren nicht nur Freunde gemacht. Der gebürtige Rheinländer ist kein Mann der Diplomatie. Biegler sagt, was er denkt, und nimmt in Kauf anzuecken. Zuletzt schied er im November 2010 in Unfrieden vom TV Großwallstadt, zwei Tage, nachdem er mit seinem Team im Europapokal eine Runde weitergekommen war. Mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter lebt er dennoch bis heute in Großwallstadt, wo er von seiner Terrasse aus einen wunderschönen Blick auf den Main hat.
Im zweiten Gruppenspiel gegen die favorisierten Franzosen und zum Vorrundenabschluss gegen Russland muss Biegler mit den Polen Punkte einfahren, um zu den drei Teams zu gehören, die das Ticket für die Hauptrunde lösen. „Vielleicht brauchen wir in beiden Partien etwas Zählbares“, glaubt der Coach. Sollten die Polen aber schon nach der Vorrunde ausscheiden, bekäme der deutsche Trainer viel Gegenwind. Auch wenn das Ziel erst die EM im eigenen Land ist - ein Misserfolg in Dänemark würde in Polen wohl kaum akzeptiert werden.