Handball Existenzkampf in der besten Liga der Welt
Der Bergische HC steckt in der Handball-Bundesliga in der Krise. Die Mannschaft spielt unbeständig, der Trainer steht unter Druck. Jetzt müssen Punkte her. Eine Analyse.
Wuppertal/Solingen. Abstiegskampf in der Handball-Bundesliga — und der Bergische HC steckt mittendrin. Die jüngste Klatsche beim VfL Gummersbach war der „Tiefpunkt einer Spielzeit, die bislang überhaupt nicht nach unserer Vorstellung gelaufen ist“, sagte Beirat Jörg Föste. Noch behalten die tollen Fans der Kombinierten aus Wuppertal und Solingen die Ruhe, auch wenn noch kein Heimspiel in dieser Saison ausverkauft war. Wir analysieren die aktuelle Situation vor dem morgigen heimspiel gegen den TBV Lemgo (Solinger Klingenhalle, 19 Uhr).
Die Ausgangslage
Es ist ein Jahr her, da herrschte Handball-Euphorie im Bergischen Land: Der Bergische HC hatte 15:17 Punkte nach 16 Spielen in der stärksten Liga der Welt, die Rhein-Neckar Löwen geschlagen und schien sich dauerhaft in der Beletage etablieren zu können. Das aber ist eine Saison später akut gefährdet. 5:27 Punkte ist die aktuelle Bilanz, erschreckt hat alle die jüngste 21:34-Niederlage beim VfL Gummersbach. Vom Duell auf Augenhöhe der vergangenen Jahre war der BHC dabei weit entfernt. Die Mannschaft wirkt viel weniger gefestigt als in der vergangenen Saison.
Die Gründe für die Krise
Verletzungen stehen an erster Stelle: Kapitän Viktor Szilagyi konnte wegen einer Fußverletzung erst am siebten Spieltag eingreifen, machte dann sechs Spiele — und liegt jetzt mit einem Achillessehnenanriss auf Eis. Mit Kristian Nippes (Knieprobleme) und Christian Hoße (Leiste) fielen zwei Leistungsträger lange aus, aktuell fehlt der österreichische Nationalspielen Maximlian Hermann (Riss des Syndesmosebandes) sehr. Die Zugänge haben die Ausfälle nicht kompensieren können. Ob der vor zwei Wochen geholte Regisseur und 20-fache russische Nationalspieler Inal Aflitulin schnell seine Bundesligatauglichkeit beweist, wird sich noch herausstellen müssen. Sein Start war nicht verheißungsvoll.
Die Rezepte
Ruhiges Arbeiten ist Konzept beim BHC. am eigenen Weg festzuhalten, ein Markenzeichen. Das unter dem aktuellen Druck aufzukündigen, wäre ein Schritt mit ungewisser Wirkung. Schon vor zwei Jahren verlor das Team zehn Mal in Folge (aktuell ein Punkt aus neun Spielen), bekam dann aber beim Abstiegsknüller in Balingen die Kurve. Wie damals arbeitet das Team aktuell mit einem Psychologen.
Das macht Hoffnung
Regisseur Alexander Oelze hat nach dem Ausfall von Viktor Szilagyi die Hauptverantwortung übernommen. Der einst beim SC Magdeburg ausgebildete 32-Jährige gehört inzwischen zu den Top-Ten-Torschützen der Liga.
Der Trainer
Fast alle BHC-Spieler schwanken erheblich in ihrer Leistung. Auch deshalb ist Trainer Sebastian Hinze in die Kritik geraten. Dabei gilt der 36-Jährige als ehemaliger Spieler als Integrationsfigur, führte den BHC zurück in die erste Liga und feierte zweimal den Klassenerhalt. Doch Kredit gibt es im Existenzkampf für Trainer selten. „Irgendwann müssen auch die Ergebnisse stimmen“, sagte zuletzt der mächtige BHC-Beirat Jörg Föste mit Ungeduld, stellte sich aber zugleich noch hinter Hinze. Der ist überzeugt, die Lage mit einfachen Mitteln wieder in den Griff zu bekommen. Gummersbach? „Ein Ausreißer.“ Wahr ist aber auch: Hinzes Parolen klingen von Woche zu Woche ähnlich.
Wie geht es weiter?
Am Samstag gibt es im Heimspiel gegen den TBV Lemgo die nächste Chance, einen Befreiungsschlag zu landen. Die Lage der Liga bietet Hoffnung: Anders als vor einem Jahr, als man mit 5:27 Punkten bereits abgeschlagen gewesen wäre, gibt es jetzt noch vier weitere Teams mit ähnlicher Ausbeute. Der BHC, Schlusslicht N-Lübbecke, die Aufsteiger Stuttgart und Eisenach sowie Balingen dürften die drei Abstiegsplätze unter sich ausmachen. Verstärkung im Winter ist nicht vorgesehen, Geld ist nicht da. Wichtige Spiele stehen noch vor der Tür: Gegen Lemgo und Göppingen zu Hause und in Eisenach müssten Punkte her. Echte Strahlkraft haben am zweiten Weihnachtsfeiertag das Duell mit dem THW Kiel in der Kölner Lanxess Arena (10 000 verkaufte Karten) und die Chance, am kommenden Mittwoch über das Halbfinale gegen Zweitligist Minden erstmals in seiner Geschichte das Final Four im DHB-Pokal zu erreichen. Über allem aber steht das Ziel Klassenerhalt. Immerhin will der BHC bald eine neue Halle bauen.