Handball WM Das macht die Skandinavier so stark
Kein Zufall: Dänemark, Norwegen und Schweden liefern sich einen Dreikampf ums Halbfinale.
Abseits des Geschehens in Deutschland hat die WM 2019 eindrucksvoll gezeigt, wie stark die Handballmächte aus dem hohen Norden Europas sind. Schon vor dem letzten Hauptrundenspieltag bei der laufenden Weltmeisterschaft stand fest, dass zwei skandinavische Teams ins Halbfinale einziehen. Das ist kein Zufall, sondern Ergebnis kontinuierlicher und nachhaltiger Aufbauarbeit in sportlicher, infrastruktureller und organisatorischer Hinsicht. Die Erfolgsgeschichte von Norwegen, Dänemark und Schweden im Überblick.
Norwegen: Handball in Norwegen – das war über viele Jahrzehnte eine Domäne der Frauen. Zwei Mal Olympiagold, drei WM-Titel, sieben EM-Triumphe – spätestens seit Mitte der 90er Jahre sind die Norwegerinnen das internationale Maß der Dinge. Die Männer dagegen spielten auf der Weltbühne maximal die zweite Geige. „Das hat uns immer gewurmt“, sagte Co-Trainer Börge Lund im Fachmagazin „Handball Inside“. Ein sechster Platz bei der WM 1958 in der DDR war jahrzehntelang das Top-Ergebnis. Gefühlt aus dem Nichts zogen die Skandinavier vor drei Jahren ins EM-Halbfinale ein, verloren bei der WM 2017 erst im Finale gegen Gastgeber Frankreich. Wie ist das gelungen? In den Antworten fällt immer ein Name: Christian Berge. Der Ex-Bundesligaprofi der SG Flensburg-Handewitt übernahm das Amt des Nationaltrainers im Jahr 2014. Zuvor hatte der 45-Jährige bereits die Junioren betreut. In kurzer Zeit bewies der frühere Spielmacher, dass er es auch abseits des Handballfeldes versteht, die Fäden zu ziehen. Mit seinem Kompetenz-Team um Lund, Steinar Ege und Kent-Harry Andersson gelang es ihm in kürzester Zeit, die großen Talente aus dem Juniorenbereich in die Weltspitze zu führen. Bestes Beispiel hierfür ist Sander Sagosen. Der 23-Jährige von Paris St. Germain ist Kopf und Herz des norwegischen Teams. „Von der Veranlagung her ist er wie der junge Karabatic“, sieht Berge einen künftigen Weltstar in seinem Spielmacher. Sagosen selbst hat keine geringeren Ansprüche an sich selbst: „Ich will nur eines: der weltbeste Spieler sein.“ Dann könnte sich auch das Ziel des Trainers erfüllen. „Mein größter Traum ist es, eines Tages Gold bei einer großen Meisterschaft zu gewinnen“, verriet Berge der „Handballwoche“.
Dänemark: Die Entwicklung der Norweger haben die Dänen schon mindestens ein Jahrzehnt früher vollzogen. Zwei EM-Titel (2008, 2012) und der Olympiasieg 2016 sprangen seitdem heraus. Was noch fehl, ist der WM-Titel. Die Basis der Erfolgsgeschichte wird wie in den anderen skandinavischen Ländern in den kleinen Vereinen gelegt. Wer als Kind mit Handball anfängt, aber nicht den Durchbruch zu den Profis schafft, bleibt selbst heutzutage oft seinem Heimatverein treu. „Genau diese Typen brauchen wir für Führungsaufgaben, zum Beispiel als Trainer oder Schiedsrichter“, verriet Morten Stig Christensen, Generalsekretär des dänischen Verbands, bereits vor einigen Jahren ein Erfolgsgeheimnis. Traditionell wird sehr großer Wert auf die Trainerausbildung gelegt, immer mit dem Ziel, die besten Coaches an der Basis zu haben. Selbst in abgelegenen Orten verfügen kleiner Vereine über moderne Hallen. Die eigenen Topligen spielen hingegen eine untergeordnete Rolle. Nur vier Dänen im aktuellen Kader spielen in der Heimat, der Rest durchweg bei Spitzenclubs im Ausland. Allen voran WM-Toptorschütze Mikkel Hansen.
Schweden: Im Handball-Traditionsland gab es nach der „Goldenen Generation“ um Jahrhundert-Handballer Magnus Wislander einen Bruch. Mit dem 38-jährigen Isländer Kristjan Andresson als Trainer und einem Team, in dem nur zwei Spieler älter als 30 Jahre sind, könnte in den nächsten Jahren eine neue Ära begründet werden. Die Silbermedaille bei der EM 2018 war ein erster Fingerzeig. Dass dies kein Ausreißer nach oben war, zeigt der bisherige Turnierverlauf. Die „tre kronors“, in deren Kader nicht weniger als 13 Bundesliga-Legionäre stehen, dominierten ihre Vorrundengruppe. Die 27:30-Niederlage gegen Norwegen am Montag war allerdings ein Rückschlag. Bei einer jungen Truppe jedoch nicht ungewöhnlich.