HBL-Chef Schwenker sieht EM-Triumph als „Steilvorlage“
Berlin/Kiel (dpa/lno) - Traumhafte TV-Einschaltquoten, landesweite Euphorie und viele junge Nationalspieler mit großem Entwicklungspotenzial - das „Wunder von Krakau“ hat dem zuletzt darbenden deutschen Handball neue Perspektiven eröffnet.
Nach imageschädigenden Schlagzeilen über den insolventen Bundesligisten HSV Hamburg und den Rücktritt von Verbandspräsident Bernhard Bauer wähnt sich der Sport angesichts des EM-Triumphs im Aufwind. Liga-Präsident Uwe Schwenker hofft, dass der Schub diesmal zu mehr Nachhaltigkeit verhilft als nach dem umjubelten WM-Wintermärchen 2007 im eigenen Land. „Das Team hat eine Steilvorlage geliefert. Jetzt liegt es an uns, was wir daraus machen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Nimmt man die TV-Resonanz als Maßstab, war das Interesse der Nation nur beim Endspiel-Sieg über Polen 2007 größer. Imposante 12,98 Millionen Fernsehzuschauer bestaunten am Sonntag den famosen Auftritt beim überraschend deutlichen 24:17 über die favorisierten Spanier. Einen Marktanteil von 42 Prozent erreicht ansonsten allenfalls „König Fußball“. Vor allem in den sozialen Netzwerken wurden die Europameister um Torhüter Andreas Wolff zu Helden erklärt. „Das ist jetzt eine zarte Pflanze, wir dürfen sie nicht kaputt machen“, kommentierte der DHB-Vize Bob Hanning in der „Bild“.
Diese neue Lust der Nation auf Handball ist ganz im Sinne von Frank Bohmann. Der HBL-Geschäftsführer ist guter Dinge, dass auch die Liga davon profitieren wird: „Das hilft uns extrem weiter.“ Gleichwohl sieht er noch jede Menge Handlungsbedarf: „Wir müssen unsere Hausaufgaben machen, auf dem Boden bleiben und dürfen nicht sagen: Jetzt übernehmen wir im Handball die Weltmacht. Wir sind keineswegs schon auf dem Olymp.“
Ähnlich wie Bohmann sprach auch Schwenker von einer historischen Chance. Inspiriert durch das neuerliche Handball-Märchen strotzen alle Beteiligten vor Tatendrang. „Jetzt werden wir mal schauen, was wir sportlich und wirtschaftlich daraus machen. Dazu passt es, dass wir gleich am Wochenende mit allen Managern und Trainern zusammensitzen. Da gibt es eine schöne Diskussionsrunde, was man zukünftig auf den Weg bringt“, sagte der Liga-Präsident.
Die Voraussetzungen für einen dauerhafte Aufwärtstrend scheinen günstiger als 2007. Das damalige Team von Heiner Brand stand alters- und leistungsmäßig im Zenit, die junge Mannschaft von Coach Dagur Sigurdsson hat dagegen die Zukunft noch vor sich. Nach den vielen verletzungsbedingten Ausfällen verfügten nur zwei Spieler aus dem Finale über EM-Erfahrung. Zudem fehlten Talente wie der erst 20 Jahre alte Berliner Paul Drux, der sich derzeit in der Reha befindet.
Die Tatsache, dass der Coup von Krakau en passant die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2016 in Rio und die WM 2017 in Frankreich bescherte, dürfte die Suche nach weiteren Sponsoren erleichtern.
Zudem könnte die Teilnahme an diesen großen Turnieren der Mitgliederentwicklung zuträglich sein. Im Jahr nach dem WM-Sieg von 2007 gewann der DHB 18 526 Mitglieder hinzu. Seither ging es jedoch mehr oder wenig stetig bergab. So gab es 2015 ein Minus von 19 422 Mitgliedern. Nicht zuletzt deshalb sucht der Verband derzeit einen Mitarbeiter, der diesen Schwund aufhalten soll. Der Sieg in Polen dürfte ihm dabei helfen. „Wie nach dem WM-Titel 2007 wird es auch wieder erheblichen Zulauf an Nachwuchsspielern geben“, hofft der Kieler Schwenker.