Reichmann in Polen - „Handball-EM wird ein Fest“
Breslau (dpa) - Ein bisschen ist es für Tobias Reichmann eine Heimfahrt. Die Reise mit der deutschen Nationalmannschaft an diesem Donnerstag zur Europameisterschaft nach Polen ist für den Handballer ein Trip in seine sportliche Heimat.
Seit 2014 spielt der Rechtsaußen bei Polens Vorzeigeclub KS Vive Kielce, dem Landesmeister und Tabellenführer in der Ekstraklasa. Und das findet er richtig klasse. „Ich bereue es nicht, den Schritt gemacht zu haben und nach Polen zu gehen“, erzählte der gebürtige Berliner.
Als Einziger in der deutschen Mannschaft kennt Tobias Reichmann Breslau aus eigenem sportlichen Erleben - oder besser: Er kennt zumindest die Jahrhunderthalle, in der die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) am Samstag gegen Spanien ihr erstes EM-Spiel bestreitet. „Viel habe ich nicht gesehen außer der Halle und dem Hotel“, berichtete er. Zweimal war der 27-Jährige zu Punktspielen dort. Zuletzt im Oktober gab es einen 39:28-Kantersieg gegen Slask Wroclaw, Polens Rekordmeister und derzeit abgeschlagenen Tabellenletzten.
Dennoch war die Stimmung in der 6500 Zuschauer fassenden Arena mit der ungewöhnlichen Architektur ordentlich. „Bei uns war die Halle ganz gut gefüllt, als wir in der Liga dort gespielt haben. Ich glaube aber, dass eine EM nochmal was anderes ist, auch von der Stimmung her“, vermutete er. Das ist auch ein Grund dafür, warum Reichmann davon überzeugt ist, dass die EM eine großartige Veranstaltung wird. „Die EM im eigenen Land zu haben, hat man auch nicht alle Tage. Die Hallen werden sehr, sehr gut gefüllt sein. Das wird schon ein großes Fest werden. Handball hat einen hohen Stellenwert in Polen“, erklärte Reichmann.
Darin ist er sich mit Michael Biegler einig. Die EM wird „eine top organisierte mit tollen Hallen und vielen Emotionen und eine, bei der die Fans viel Sachverstand haben“, sagte der deutsche Nationaltrainer der Polen im Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Am Freitag startet der WM-Dritte in Krakau gegen Serbien in seine Titelmission. Dann werde die Nation komplett in Rot-Weiß auflaufen, prognostizierte Biegler, und die Nationalhymne werde von 15 000 Leuten a capella gesungen. „Diese Stimmung elektrisiert mich bei jedem unserer Heimspiele.“
Für Breslau hofft Tobias Reichmann ebenfalls auf eine mitreißende Stimmung. „Wir haben auch Glück, dass wir in Breslau nicht weit weg sind von der deutschen Grenze, so dass viele Deutsche rüberpilgern werden und dementsprechend die Stimmung auch sehr, sehr gut sein wird“, sagte er.
Noch mindestens bis 2017 spielt der Linkshänder, der über den SC Magdeburg, den THW Kiel und die HSG Wetzlar nach Kielce kam, in der polnischen Liga. Bei seinem Club sind mit dem ehemaligen deutschen Nationalspieler Bogdan Wenta als Geschäftsführer sowie dem früheren Welthandballer und Bundesliga-Spieler Talant Dujshebaev zwei ausgewiesene Fachleute in der Verantwortung, die auch noch deutsch sprechen. Gleiches trifft auf seine Mitspieler Slawomir Szmal, Michal Jurecki, Grzegorz Tkaczyk, Karol Bielecki und Krzysztof Lijewski zu, die allesamt bei Bundesliga-Clubs gespielt haben.
Das kommt Reichmann entgegen. Denn sein polnisch ist noch lange nicht so flüssig wie sein Spiel. „Handballmäßig ist es okay, aber für andere Gespräche reicht es noch nicht. So normale Gespräche, da tue ich mich sehr, sehr schwer“, gab er zu und fügte an: „Aber es ist gewünscht, polnisch zu reden.“