Jesse Owens: Der Held von Berlin

Die Propaganda-Spiele der Nationalsozialisten beherrscht ein Sprinter mit dunkler Hautfarbe: Jesse Owens aus den USA.

Düsseldorf. Es sind die großen Propaganda-Spiele der Nationalsozialisten. In Berlin 1936 inszeniert sich das NS-Regime. Noch heute gelten die Spiele in der deutschen Hauptstadt als Musterbeispiel für die politische Instrumentalisierung des Sports. Doch einer passt den Nationalsozialisten gar nicht ins Konzept: Ein 22-jähriger dunkelhäutiger Leichtathlet aus dem US-Bundesstaat Ohio. Er holt vier Mal Gold: im Weitsprung, über 100 und 200 Meter und in der 4x100-Meter-Staffel. Bei den Spielen, die die Überlegenheit der arischen Rasse demonstrieren sollen, wird Jesse Owens der große Star.

John Cleveland Owens (genannt J.C., daraus ergibt sich bald Jesse) ist bei seiner Geburt 1913 das zehnte Kind der Familie. Sein Vater ist Landarbeiter, Jesse muss schon als Kind beim Pflücken von Baumwolle in den Feldern Alabamas helfen. Sein Großvater ist Sklave gewesen. Das Geld ist in der Familie seit jeher knapp.

Nachdem er mit seinen Eltern nach Cleveland/Ohio umgezogen ist, beginnt er mit der Leichtathletik. Ein Lehrer entdeckt das Talent des Jungen und nimmt ihn in die Schulmannschaft auf, deren bester Läufer Owens bald wird. Während viele Gleichaltrige wegen ihres sportlichen Talents ein College-Stipendium bekommen, bleibt Owens diese Chance verwehrt - wegen seiner Hautfarbe. Trotzdem studiert er, finanziert sich durch Nebenjobs und läuft weiter.

Seine große Stunde schlägt am 25. Mai 1935. Bei der Leichtathletik-Meisterschaft in Ann Arbor bricht er innerhalb von 45 Minuten drei Weltrekorde und stellt einen vierten ein. So ist er kein unbeschriebenes Blatt, als er 1936 nach Berlin kommt. Im Sprint ist er nicht zu schlagen. Im Weitsprung jedoch droht ihm nach zwei ungültigen Versuchen das Aus. Der Deutsche Luz Long, sein schärfter Konkurrent, der gerade mit 7,87 Metern einen neuen Olympiarekord aufgestellt hat, nimmt Owens beiseite, spricht ihm Mut zu.

Am Ende gewinnt Owens mit 8,03 Metern. Long wird Zweiter. Die beiden freunden sich an - das ist Völkerverständigung, wie sie sich die Nationalsozialisten nicht vorgestellt haben.

Doch sie sehen sich nicht mehr wieder. Long fällt 1943 im zweiten Weltkrieg auf Sizilien. Owens sagt später über ihn: "Er war der fairste Sportler und beste Kamerad, den ich je kennengelernt habe." In Berlin wird Owens der Liebling der Zuschauer. Nur Carl Lewis gelingt es 1984 in Los Angeles, ebenfalls vier Goldmedaillen in der Leichtathletik bei einer Veranstaltung zu holen.

Zurück in der Heimat wird Owens begeistert empfangen. Doch Präsident Roosevelt weigert sich, den Olympia-Helden im Weißen Haus zu empfangen. Er steckt mitten im Wahlkampf und fürchtet sich vor negativen Reaktionen aus den Südstaaten. Owens ist tief getroffen. In seiner Autobiographie schreibt er: "Nicht Hitler hat mich brüskiert, sondern Franklin D. Roosevelt. Der Präsident hat mir nicht einmal ein Telegramm geschickt."

Nach den Spielen von Berlin wird Owens Profi, bestreitet Rennen gegen Pferde oder andere Läufer, denen er häufig einen Vorsprung gibt. Er vermarktet sich selbst und seine Erfolge. Reich wird er damit nicht. 1980 stirbt er im Alter von 66 Jahren. In Berlin erinnert noch heute die Jesse-Owens-Allee, die zum Olympiastadion führt, an den unvergessenen Helden der Spiele von 1936.