2012 Balanceakt für Leichtathleten - DLV macht Druck

Karlsruhe (dpa) - Hallen-Weltmeisterschaft, Freiluft-Europameisterschaft, Olympische Spiele: 2012 wird für die deutschen Leichtathleten und ihre Trainer ein schwieriger Balanceakt - mit Risiko. Erstmals gibt es im Jahr der Sommerspiele auch eine EM.

Zweimal innerhalb von fünf Wochen müssen die Springer, Sprinter, Läufer und Werfer auf den Punkt topfit sein. „In diesem Jahr stört die Hallen-WM ein wenig. Wer daran teilnimmt, kann erst in der dritten März-Woche mit der Olympia-Vorbereitung beginnen“, sagte Günther Lohre, Vizepräsident Leistungssport im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV).

Eine Schnapsidee sei die EM vom 27. Juni bis 1. Juli in Helsinki - sagen Kritiker. DLV-Präsident Clemens Prokop verteidigte bei den deutschen Meisterschaften am Wochenende in Karlsruhe jedoch die Einführung der kontinentalen Titelkämpfe im Zwei-Jahres-Rhythmus. Die Europäische Leichtathletik-Union (EAA) wolle damit die Sportart in ihren Ländern stärken, nicht nur was die Vermarktung angeht. „Wir wollen damit gerade für die Sprinter und Läufer eine neue Motivation schaffen angesichts der internationalen Übermacht aus der Karibik und Afrika“, sagte Prokop. Der DLV wolle mit dem „stärkstmöglichen Team“ nach Finnland fahren.

Für 100-Meter-Europameisterin Verena Sailer steht die EM „ganz klar“ auf dem Fahrplan. „Olympia will ich natürlich auch schaffen“, sagte die Mannheimerin, der für London keine großen Medaillenchancen eingeräumt werden.

Kein zentrales Trainingslager, kurze Anreise, schnelle Abreise - die Athleten sollen die EM im Schnelldurchlauf und wie ein Meeting angehen, um nicht unnötig Kräfte für die Sommerspiele zu vergeuden. Und wenn sie nur nach London wollen? Lohre animiert die Sportler jedes Jahr zu einem vernünftigen Trainingsaufbau und sagt: „Uns bringt es nichts, wenn sie von einem Höhepunkt zum anderen hetzen. Ein erfolgreiches Abschneiden bei Olympia hat oberste Priorität und alles andere hat sich unterzuordnen.“ Idriss Gonschinska, der Cheftrainer für Lauf und Sprint, sieht's gelassen. „Die Form wird über Wettkämpfe aufgebaut“, meinte er.

Ohne EM-Start kein Olympia-Ticket - für Prokop ist die EM-Teilnahme „Voraussetzung für die Nominierung für die Olympischen Spiele“. Bereits Mitte Juni bei den deutschen Meisterschaften in Wattenscheid müssen sich die Athleten für Helsinki und London empfehlen. „Die Quali-Leistung schüttelt man nicht aus dem Handgelenk“, warnte Lohre. „Das ist auch ein gewisses Risiko. Denn wenn wir mit der Vorbereitung daneben liegen, liegen wir vielleicht auch bei den Olympischen Spielen daneben.“

Jedenfalls tüfteln die Bundestrainer seit Monaten zusammen mit den Heimtrainern Trainings- und Wettkampfpläne aus. Die Hatz nach der Norm für die Hallen-WM vom 9. bis 11. März in Istanbul gerät da zur Nebensache. Der DLV wird nur mit etwa 15 bis 17 Teilnehmern, „einer kleinen, aber feinen Mannschaft“ (Lohre) hinfahren.

Die Leichtathletik, so Prokop, wird 2012 jedenfalls „sehr stark im Fokus stehen“. Den Plan mit der Freiluft-EM sieht er als Experiment: „Ob das funktioniert, können wir erst nach Helsinki bewerten.“ Genauer: nach London. Denn bei den Sommerspielen hat der DLV noch eine historische Pleite wettzumachen: 2008 gab es nur eine einige Bronzemedaille.