Bob Beamon: Ein Riesen-Sprung für die Menschheit
Daegu (dpa) - Astronaut Neil Armstrong musste zum Mond fliegen, US-Weitspringer Bob Beamon reichte eine Sternstunde in 2248 Meter Höhe zu einem riesigen Sprung für die Menschheit. Am Montag feiert der weltberühmte Leichtathlet seinen 65. Geburtstag.
Mexiko-City, 18. Oktober 1968, 15.40 Uhr Ortszeit: 19 Schritte Anlauf in sechs Sekunden, der Fuß trifft den Balken haargenau. Wie vom Katapult beschleunigt, schnellt der schlanke schwarze Modellathlet durch die Luft. Er rudert mit Armen und Beinen und landet ganz am Ende der Sandgrube: 8,90 Meter!
Mit seinem unglaublichen Weitsprung-Weltrekord im olympischen Finale stößt Beamon die Tür zum neuen Jahrtausend weit auf. Auf Autogrammkarten kritzelt er später oft nur „8.90“. Bis heute wird er verehrt, zehntausend Mal hat er seine atemberaubende Geschichte bestimmt schon erzählt.
Der „Jahrhundert-Weltrekord“ hält zwar nur 23 Jahre, bis Mike Powell 1991 bei der WM in Tokio fünf Zentimeter weiter fliegt. Doch die Erinnerungen an den größten Tag seines Lebens werden Beamon für immer begleiten. Als ob es gestern wäre, kann er die entscheidenden Sekunden ins Gedächtnis zurückrufen: „Die Bedingungen waren ideal. Geschwindigkeit, Absprung, alles stimmte. Ich denke, ich hatte ein Tempo von umgerechnet 10,0 Sekunden für die 100 Meter drauf.“
Olympia-Gold hat Beamon damit bereits sicher, aber die verblüfften Kampfrichter messen noch mit einem Stahlband nach, denn die automatische Anlage war nur für Weiten bis 8,60 Meter eingerichtet. Fast hätte man sagen können: Er kam mal auf einen Sprung vorbei - doch Beamon rafft sich noch einmal auf, schafft im zweiten Anlauf aber nur 8,04 Meter und lässt die letzten vier Versuche aus.
„Verglichen mit seinem Sprung waren wir wie Kinder“, meint sein geschlagener sowjetischer Rivale Igor Ter-Owanesjan. Staunend wie die ganze Welt muss er mit ansehen, wie ein 22 Jahre alter „Bobby“ aus New York den Weltrekord von Ralph Boston förmlich pulverisiert. Gleich 55 Zentimeter segelt Beamon weiter, Ter-Owanesjan wird mit 8,12 Meter nur Vierter hinter DDR-Springer Klaus Beer (8,19) und dem entthronten Weltrekordler Boston (USA/8,16).
Für Beamon passt am größten Tag seines Lebens einfach alles - aber er hat auch Glück: Gerade noch erlaubte 2,0 Meter pro Sekunde Rückenwind helfen etwas nach, die extreme Höhenlage macht den langen Schlaks noch leichter. Zwischen 69 und 74 Kilo soll er nur auf die Waage gebracht haben. Ohne die beiden „Booster“ Wind und Höhe, rechnet die renommierte „Sports Illustrated“ nach genauer Analyse später einmal hoch, wäre Beamon vermutlich nur bei 8,56 Meter gelandet.
Die Zweifel an der außerirdischen Leistung bleiben, doch der Rekord hält allen Stürmen stand - bis zum 30. August 1991. In einem denkwürdigen WM-Finale holt sich Powell mit 8,95 Meter Gold, sein US-Landsmann Carl Lewis liefert ihm bis zum letzten Sprung einen Kampf auf Biegen und Brechen. Für 8,91 Meter - mit zu viel Rückenwind - bekommt „Carl der Große“ nur Silber.
Nach seinem Olympiasieg tingelt Beamon noch ein wenig im Hallen-Zirkus herum, kommt aber nie auch nur annähernd an seinen Wahnsinnssprung heran. Mit Gelegenheitsjobs als Co-Trainer oder Jugendberater hält sich der gelernte Schneider über Wasser. 1972 scheitert ein Comeback-Versuch, 1973 wird Beamon für kurze Zeit Profi. Doch Gold lässt sich im Amateur-Zeitalter nicht versilbern. Im Vorjahr engagiert ihn die Chicago State University, um ihre Leichtathletik-Talente fit zu machen.
Mit seiner Frau Milana schreibt Beamon 1999 das Buch „Der Mann, der fliegen konnte“. Und für viele irgendwo auf dem Mond gelandet ist - wie Neil Armstrong mit „Apollo 11“ am 21. Juli 1969.