Die große Müdigkeit: Bolt & Co. zum Saisonfinale platt

Brüssel (dpa) - Auch der schnellste Mann der Welt geht bald auf dem Zahnfleisch. Vor dem hoch dotierten Finale der Diamond League in Brüssel teilte Usain Bolt den Veranstaltern mit, dass er lieber nur über 100 statt wie geplant über 200 Meter antreten wolle.

Nach einer langen Saison mit zahlreichen Meetings, den jamaikanischen Meisterschaften und vor allem der Leichtathletik-WM in Moskau ist der Weltmeister und Olympiasieger über jeden Meter froh, den er nicht mehr laufen muss.

„Ich bin müde nach der WM. Auch ich werde ein bisschen älter“, sagte der 27-Jährige. „Jeder ist motiviert. Aber ob du motiviert bist oder ob du das tun kannst, was du tun willst, ist ein Unterschied.“ Er müsse „aufpassen, dass man sich nicht zu sehr pusht. Es gibt immer ein Risiko, sich zu verletzen“.

In diesem Moment klang Bolt so, als könne er sein angekündigtes Karriereende 2016 kaum noch erwarten. In Brüssel nimmt er sogar in Kauf, noch einmal auf seinen vermeintlich stärksten Rivalen Justin Gatlin (USA) zu treffen, statt über 200 Meter ein lockeres und weitgehend konkurrenzfreies Rennen hinzulegen. Der 100-Meter-Lauf ist mit Bolt, Gatlin, Nesta Carter (Jamaika) und Mike Rodgers (USA) beinahe so stark besetzt wie das WM-Finale.

Doch am Ende dieser Saison sind fast alle Leichtathleten platt. „Eigentlich ist die Form da. Aber der Kopf will nicht mehr, das merke ich extrem“, sagte Speerwerferin Christina Obergföll. Der Verlauf des ersten Diamond-League-Finals vor einer Woche in Zürich war dafür ein gutes Beispiel: 19 Weltmeister und 15 Olympiasieger gingen bei diesem bekanntesten und teuersten Meeting der Welt an den Start. Trotzdem gab es keine einzige Weltjahresbestleistung.

Am deutlichsten bekam diesen Verschleiß Raphael Holzdeppe zu spüren. Der Stabhochsprung-Weltmeister zog sich beim ISTAF in Berlin bereits beim Aufwärmen eine Muskelverletzung in der Wade zu - und deutete das als Überlastungs-Reaktion. „Ich hatte nur zwei, drei Tage zu Hause. Vielleicht war das alles etwas zu viel“, sagte er.

Denn Holzdeppe war nicht nur der Überflieger, sondern auch der Vielspringer der Saison. Bereits vor der WM startete er mal an einem Samstagabend in Paris und dann am Sonntagnachmittag bei den deutschen Meisterschaften in Ulm. Kaum war er aus Moskau zurück, standen nacheinander Zweibrücken, „Berlin fliegt“, der DKB-Cup in Elstal, Leverkusen, das ISTAF und auch Brüssel auf seinem Plan. Im König-Baudouin-Stadion wird er nun nicht mehr dabei sein können. Dabei hätte er theoretisch die Chance gehabt, Olympiasieger Renaud Lavillenie aus Frankreich im letzten Wettbewerb der Diamond League noch vom ersten Platz der Gesamtwertung zu verdrängen.

So wird es am Freitagabend keinen weiteren Deutschen mehr geben, der die 40 000 Dollar Prämie für einen Sieg im „Diamond Race“ in Empfang nehmen kann. Sowohl Kugelstoß-Weltmeister David Storl als auch Stabhochspringer Björn Otto liegen in ihren Disziplinen schon zu weit zurück.

Malte Mohr musste seine Teilnahme in Brüssel genauso wie Holzdeppe verletzungsbedingt absagen. Der WM-Fünfte aus Wattenscheid verletzte sich beim Domspringen in Aachen, nachdem er dort 5,73 Meter übersprungen und den zweiten Platz erreicht hatte. „Es lief alles ganz gut, aber bei meinem ersten Versuch über 5,86 Meter bin ich leider sehr unglücklich auf der Latte gelandet“, erklärte Mohr nach Angaben seines Vereins TV Wattenscheid 01. „Die Saison ist vorbei. Wir sehen uns im nächsten Jahr“, twitterte der 27-Jährige.

Dennoch ist das Meeting mit 14 Weltmeistern und fünf weiteren deutschen Athleten sehr gut besetzt: Verena Sailer und Nadine Hildebrand sind über 100 und 100 Meter Hürden dabei, Thomas Röhler trifft beim Speerwurf auf die komplette Weltelite. Die Diskuswerferinnen Nadine Müller und Anna Rüh haben sogar Chancen auf eine der Prämien für die Plätze eins bis drei.