Diskus-Weltmeister Harting glänzt

Wiesbaden (dpa) - Robert Hartings bärenstarker Start ins Olympia-Jahr endete auf einer Bierbank. „Ist es okay, wenn wir uns setzen?“, fragte der Doppel-Weltmeister im Diskuswerfen und rieb sein linkes Knie.

Mit 68,52 Metern im fünften Versuch übertraf der Berliner in Wiesbaden die Jahresweltbestleistung des Ungarn Zoltan Kovágó um 31 Zentimeter. Aber trotz einer Patellasehnen-Operation im vergangenen Oktober hat der 2,02 Meter große und 125 Kilo schwere Harting immer noch massive Beschwerden.

„Nachher auf der Rückfahrt werde ich wahrscheinlich ein wenig leiden“, sagte der 27-Jährige und verzog das Gesicht. Regelmäßig nimmt er Schmerzmittel, vor seinem ersten Wettkampf verzichtete er dann doch darauf und setzte auf pures Adrenalin. „Voltaren macht träge, wir sind eine Schnellkraftsportart“, erklärte er.

Im Ring war Harting allerdings nichts anzumerken. Er hatte sogar einen ungültigen Versuch an die 70 Meter. „Mit Gegenwind hätten es 70 oder 71 Meter werden können“, meinte er. Am 3. Mai 1997 hatte der fünffache Weltmeister Lars Riedel in Wiesbaden mit 71,50 Metern seine persönliche Bestweite erzielt. Harting (69,69) träumt seit Jahren davon, in diesen Bereich vorzustoßen und sagte: „Ich habe nicht vor, hinter Riedel zu stehen in der ewigen Bestenliste, wenn ich mal fertig bin.“

Auf der unscheinbaren Wiese direkt neben einer Tankstelle im Helmut-Schön-Sportpark zeigte sich Harting jedenfalls schon in Olympia-Form. „Ich bin sehr, sehr zufrieden“, sagte er. „Die Weltjahresbestleistung war ein gutes Signal in die fernen Länder.“ Als Zweiter mit 66,01 Metern übertraf auch der Magdeburger Martin Wierig die Norm für die Sommerspiele in London (65,00).

Harting haderte dennoch mit seinem Knie. Bei dem Eingriff waren entzündetes Gewebe entfernt und Nerven gekappt worden. Nach Angaben des Arztes, so Harting, sei alles okay - nicht aber für ihn. „Das ist wie die heiße Herdplatte, auf der man die Hand liegen lässt“, meinte er. „Na ja, das ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Vor vier Wochen saß ich in meinen Zimmer, habe den Trainer angerufen und wollte das Training absagen. Habe ihm gesagt: Ich komme mit dem Kopf nicht über den Schmerz hinweg.“

Topfit, aber ohne eine vernünftige Weite beendete Nadine Müller den Werfer-Cup. Die Vize-Weltmeisterin aus Halle/Saale blieb als Fünfte mit 59,66 Metern über neun Meter hinter ihrer eigenen Jahresweltbestleistung (68,89) zurück. Den Sieg sicherte sich Chinas Weltmeisterin Li Yangfeng mit 67,84 Metern. „Lieber so einen Wettkampf hier erleben als in London. Einen solchen Wettkampf hat man immer im Jahr, den habe ich jetzt schon mal weg.“

Für die große Überraschung sorgte die Berlinerin Julia Fischer, die mit 64,22 erstmals in ihrer Karriere über 60 Meter warf und damit Dritte wurde. Sie übertraf vor den Augen der dreifachen Weltmeisterin Franka Dietzsch zudem die Olympia-Norm von 62 Metern und jubelte: „Bombastisch! Aber ich hatte super gut trainiert und wusste, dass ich was drauf habe.“