EM und Olympia: Machbar, aber umstritten

Stockholm (dpa) - In der Leichtathletik wird es im Olympia-Jahr 2012 neben den 47 Disziplinen eine weitere geben: die akribische Planung. Nach der Einführung des Zwei-Jahres-Rhythmus wird die EM vom 27. Juni bis 1. Juli in Helsinki und damit nur einen Monat vor den London-Spielen stattfinden.

„2012 haben wir eine Situation, die äußerst schwierig ist“, sagte Thomas Kurschilgen, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), bei der diesjährigen Team-EM in Stockholm. Hier wurde Deutschland hinter Russland Zweiter. „Es ist aber plan- und machbar.“

Ob es Sinn ergibt, die EM kurz vor den Olympischen Spielen zu platzieren, ist umstritten. Hansjörg Wirz, Präsident des Europäischen Leichtathletik-Verbandes (EAA), möchte durch die EM-Austragung im Zwei-Jahres-Rhythmus den Stellenwert des EAA-Spitzenprodukts erhöhen. Aus wirtschaftlicher Sicht scheint dies gelungen: Für die EM in Helsinki sind immerhin ein Jahr vor Beginn 80 Prozent der geplanten Einnahmen durch Sponsorengelder gesichert.

Die Spitzenathleten wollen bei den Olympischen Spielen in erster Linie erfolgreich sein und so ihren Marktwert steigern. „Für erfahrene, etablierte Athleten stimmt das, aber junge Sportler, die nicht die Chance haben, zu Olympia zu kommen, die sind hungrig und brauchen so eine EM“, argumentiert Wirz.

„Ziel ist, mit der leistungsstärksten Mannschaft zur EM zu fahren“, sagte Kurschilgen und schränkt ein: „Mit den Medaillenkandidaten werden wir aber sicher individuell sprechen.“ Unter den Spitzenkräften ist die Bereitschaft, die EM in die Planung aufzunehmen, geteilt. „Ich habe keine Lust dazu“, sagte der WM-Dritte im Hochsprung, Raúl Spank, klipp und klar.

Ein persönliches Motiv hat Christina Obergföll, 2012 in der finnischen Hauptstadt antreten zu wollen. „Es ist Helsinki, da habe ich gute Erfahrungen gemacht“, meinte die Olympia-Dritte im Speerwurf. 2005 hatte die Offenburgerin dort einen Europarekord (70,20 Meter) aufgestellt und Silber geholt. Dennoch ist die EM 2012 für sie nur eine Durchgangsstation: „Ich sehe die EM wie ein Meeting. Mein Fokus liegt auf Olympia.“

Aus einem anderen Grund kommt Weitspringer Christian Reif nicht um die EM in Helsinki herum. „Bei mir ist die EM so gut wie sicher geplant, weil ich einen Titel zu verteidigen habe“, sagte der Athlet von ABC Ludwigshafen. Für ihn sei es aber auch ein willkommener letzter Härtetest vor London: „Ich fahre hin, weil ich froh bin, einen Wettkampf auf so hohem Niveau bestreiten zu können.“

Für DLV, Trainer und Athleten wird es 2012 auf jeden Fall eine neue Herausforderung in exakter Leistungsplanung geben. Denn die Hallen-Saison geht erst mit der WM im März in Istanbul zu Ende. Da bleibt nicht viel Zeit bis zu den Deutschen Meisterschaften am 16./17. Juni in Bochum-Wattenscheid, wo die Olympia-Tickets vergeben werden, um die Form für die Wettkämpfe im Freien aufzubauen.

Und dann folgen im Abstand von jeweils einem Monat EM und London-Spiele. „Welchen Stellenwert die EM da haben wird, wird sich erst 2012 zeigen“, sagte Kurschilgen.