Geheimnis der Werfer: Nicht nur stark, sondern schnell

Frankfurt/Main (dpa) - Auch wenn die deutschen Leichtathleten mal wieder hinterherrennen - der große Wurf gelingt ihnen fast immer. Auch bei der am Samstag beginnenden WM sollen vor allem die Diskus-, Speer-, Hammer- und Kugel-Asse für die Medaillen sorgen.

„Wir versuchen, uns an der Weltspitze zu orientieren, Tag für Tag“, sagt der Wurf-Bundestrainer und Diskus-Weltrekordler Jürgen Schult. „Und wir versuchen, den Teamgeist hochzuhalten.“ Robert Harting und David Storl fahren sogar als Titelverteidiger nach Moskau. Die seit Jahren anhaltende Erfolgsserie der Kraftsportler hat aber auch wissenschaftliche Hintergründe.

Ein Garant für die Weltklasse-Leistungen steht im Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig. Mit einem komplizierten Mess- und Informationssystem, mit dem die Stöße und Würfe ausgewertet werden, arbeitet dort Fachgruppenleiter Frank Lehmann. „Die Athleten kommen regelmäßig zu uns und bekommen auf dem Messplatz die individuellen Reserven und Defizite aufgezeigt“, erklärt Lehmann. Auf einer großen Leinwand erfolgt die Analyse. „Für den nächsten Versuch werden entsprechende Änderungen in Bewegungsdetails festgelegt und deren Umsetzung wieder überprüft.“

Zuletzt waren Christina Schwanitz, die Hallen-Europameisterin im Kugelstoßen, und ihr Disziplinkollege Storl da. Der Chemnitzer wurde bei der letzten WM 2011 mit 21 Jahren jüngster Weltmeister der Kugelstoß-Geschichte. Insgesamt holte die Abteilung Harting, Storl und Co. in Daegu/Südkorea fünf der sieben deutschen Podiumsplätze. Von den 109 Medaillen, die der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) seit den Olympischen Spielen 2000 in Sydney bei internationalen Freiluft-Meisterschaften gewonnen hat, gehen mehr als die Hälfte auf das Konto der Schwerathleten (57). Von den acht Leichtathletik-Medaillen bei Olympia 2012 in London waren es fünf.

„Der Wurf hat eine lange Tradition in Deutschland wie auch in den nordischen Ländern und die Werfer genießen eine hohe Wertschätzung. Unsere Trainer sind besonders erfahren und in der ganzen Welt gefragt“, sagt DLV-Präsident Clemens Prokop. Während bei den Läufern und Sprintern einige immer noch gerne ihr eigenes Süppchen kochen, legen die Kraftsportler Wert auf ständigen Austausch - auch mit Experten aus anderen Ländern: So kommt der Coach der dreifachen Kugelstoß-Weltmeisterin und zweifachen Olympiasiegerin Valerie Adams aus Neuseeland schon mal zu einer Tagung nach Kienbaum. Außerdem veranstaltet der DLV mit seinen Trainern und deren Athleten regelmäßig die „Teamwochen Wurf“.

Aber auch den Schwerathleten ging nicht immer alles leicht von der Hand. 2004 in Athen holte Speerwerferin Steffi Nerius mit Silber das einzige Olympia-Edelmetall überhaupt für den DLV. Bei der Analyse in Leipzig kam man damals zur Erkenntnis, dass im Nachwuchsbereich zu sehr Maximalkraft und zu wenig Schnelligkeit trainiert wird. Und Schnelligkeit kann man im Erwachsenenbereich nur noch schwer verbessern. Ein Jahrhunderttalent wie Storl ist auch kein schlechter Sprinter: Die 30 Meter rennt der 23-Jährige in 3,73 Sekunden.

Auch IAT-Experte Lehmann sprich von „übermäßig vielen und guten Wurftrainern“ in Deutschland. Für ihn haben die Erfolge aber weitere Ursachen - nämlich „sozialökonomische Faktoren, Lebensweise, Ernährung“. Werfer sollten schließlich „groß gewachsen und kräftig“ sein. Da bei der Ernährung nicht nur der Lebensstandard, sondern auch die Religion eine Rolle spiele, gebe es in den meisten islamischen und afrikanischen Ländern und Indien ein eher geringes Potenzial für diesen Sport.