Noch immer mit Rio-Frust Geher Linke liebäugelt mit WM-Medaille
London (dpa) - Bei den Gehern läuft's mal wieder, der Renner sind die nimmermüden Asphalttreter aber längst noch nicht. Vielleicht trägt der Super-Sonntag bei der Leichtathletik-WM in London ja dazu bei, dass die Schattendisziplin künftig mehr ins Licht rückt.
Das würden sich vor allen die Athleten wünschen - aber selbst Deutschlands bester Geher, Christopher Linke, ist da noch skeptisch. „Hier ist das Fernsehen gezwungen, am Sonntag unsere Wettkämpfe zu zeigen. Denn zum Glück läuft dann nichts anderes“, sagte der 28-Jährige vom SC Potsdam der Deutschen Presse-Agentur.
Noch heute, ein Jahr danach, ist Linke frustriert, wenn er an die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro denkt. „Da war ich Fünfter. Und damit bester deutscher Leichtathlet in einer Ausdauer-Disziplin. Im Fernsehen wurde davon nicht eine einzige Sekunde übertragen, das ist eine Schande“, erzählt der Geher, der am Sonntag auch bei der Leichtathletik-WM in London über 20 Kilometer startet. „Andere fliegen im Vorlauf raus und kriegen dann lange Interviews.“
Das könnte Linke nach seinem Wettkampf ja durchaus auch mal passieren, denn der deutsche Meister ist gut drauf. Mitte Mai gewann er den Europacup in persönlicher Bestzeit von 1:18:59 Stunden, zuletzt war er in der Schweiz im Trainingslager, erst am Freitag düste das Geherteam von Zürich nach London.
„Wenn ich am Sonntag wieder Bestzeit gehen kann, dann gewinne ich auf jeden Fall eine Medaille“, sagt Sportsoldat Linke, der in Potsdam von Bundestrainer Ronald Weigel betreut wird. Mit ihm am Start sind seine Clubkollegen Nils Brembach und Hagen Pohle.
Linke kennt die Zwei-Kilometer-Schleife zwischen Buckingham Palast und Triumphbogen noch von Olympia 2012. Doch das hilft ihm nun auch nicht weiter. „Gute Vorleistungen kannst du dann vergessen, nur der Tag X zählt, und das ist der 13. August“, schildert der Geher, der mit zwölf Jahren an die Potsdamer Sportschule kam - als Läufer. Jetzt ist er Mitfavorit bei einer Weltmeisterschaft, mit einem ganz speziellen Glücksbringer: dem Ehering seines gestorbenen Opas.
Für Weigel, 1983 in Helsinki erster Geher-Weltmeister über 50 Kilometer, macht ein Sonntag längst noch keinen Sommer. „Da muss sich noch viel ändern. Aber so lange die Leute immer noch denken, die Geher spazieren so ein bisschen durchs Weltgeschehen, ist das schwer. Das ist ein harter Job, den wir da machen, ein Vollzeitjob“, meint Weigel. Und: „Inzwischen ist das Gehen so attraktiv wie der Marathon und hat den Stellenwert von anderen Disziplinen.“
Mit vier Entscheidungen innerhalb von acht Stunden wird das Gehen am Sonntag so intensiv im Fokus stehen wie noch nie. Erstmals in der WM-Geschichte dürfen auch die Frauen über 50 Kilometer starten - mit der 48. Disziplin ist die Gleichberechtigung vollendet. Das findet Weigel im Prinzip gut, er sagt aber auch: „Die Entscheidung war zu kurzfristig, unüberlegt. Sie ist nicht ausgereift.“ Aber konsequent. „Irgendwann werden auch die Frauen mal locker unter vier Stunden gehen.“ Dazu fehlen ja derzeit nur noch 8:27 Minuten.