Harting schwitzt in der Reha: „Schon echt Bock wieder“
Berlin (dpa) - Fünf Kilo hat der Hüne abgenommen, zwei neue Kreuzbänder im linken Knie, und Ende Januar will er zum ersten Mal nach 147 Tagen Zwangspause wieder einen Diskus in die Hand nehmen. Robert Harting kann es kaum erwarten, aber er macht sich keinen Druck, weil er das Risiko kennt.
Das Alter und die Erfahrung bremsen den Tatendrang des Olympiasiegers, den Heilungsprozess kann er sowieso nicht beschleunigen. „Das Knie sagt dir, wann es soweit ist. Man muss einfach abwarten. Und ich werde am 31. Januar schon mal probieren, was geht“, sagt der 30 Jahre alte Berliner der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Seit zwei Wochen schwitzt Harting in der Reha, im bayerischen Donaustauf absolviert er täglich ein volles Programm. Und er sieht Fortschritte. Sechs Wochen nach seiner Kreuzband-Operation ist Harting bestens drauf. „Ich bin gut im Saft. Wir sind sehr zufrieden, die Chirurgen sind zufrieden. Ich könnte schon viel mehr“, erzählt der dreifache Weltmeister - doch Geduld ist für den gebürtigen Lausitzer jetzt eine olympische Disziplin. „Du willst halt nach vorne, du kannst auch nach vorne, du kannst auch mehr. Aber alles, was du jetzt mehr trainierst, ist auch Stress für das Knie.“
Bei einem 124-Kilo-Mann wie Harting dauert die Heilung nach einem Kreuz- und Innenbandriss weitaus länger als beispielsweise bei einem 75-Kilo-Kicker. „Ich habe aber glücklicherweise große Knie, und da hat mir der Chirurg gleich zwei vordere Kreuzbänder eingebaut“, erklärt er. „Die sollen schon halten.“ Nach der dritten Knie-OP in seiner Karriere ist Harting so richtig in Angriffslaune. „Vom Antrieb her ist es für mich überhaupt nicht schwer, etwas zu tun. Ich freu' mich auch richtig, ich hab' schon echt Bock wieder, das ist cool.“
Doch vom vierten WM-Gold in Serie kann der Herr der Ringe derzeit nur träumen. Abgeschrieben hat er die Titelverteidigung nicht. Er will - aber reicht die Zeit? Am 27. August startet im Pekinger Olympiastadion die Diskus-Qualifikation. „Unmöglich ist gar nichts, ich freue mich auch auf die Herausforderung“, meint der Weltmeister von 2009, 2011 und 2013. „Klar will ich meinen Titel behalten und verteidigen. Aber ich muss ja auch abwägen - zwischen einem Olympiasieg 2016 oder einer Störung 2015.“
Nicht nur Zeit verliert Harting durch die schwere Verletzung. Er rechnet selbst mit Einbußen von „30 bis 40 Prozent der Einnahmen“. Doch im Moment denkt er eher an Gold als ans Geld - und an seinen Körper. „Das ist jetzt erst einmal der Gesundheit ungeordnet. Jeder Manager, jeder Unternehmer, der nicht arbeiten geht, verliert auch Geld.“ Gewonnen hat Harting in diesem Jahr aber nicht nur EM-Gold: Zum vierten Mal in Serie wurde der zweimalige Europameister am vergangenen Samstag zu Berlins „Sportler des Jahres“ gekürt.
Gedanken an ein vorzeitiges Karriere-Ende haben den Diskus-Riesen trotz der schweren Verletzung nie beschäftigt. Im Gegenteil. Er hat längst noch nicht fertig, aber (s)einen Plan im Kopf: „Wenn ich in Rio Gold holen sollte, dann muss ich mir ein paar Sachen überlegen. Es kommt auch auf den privaten Sektor an, was da so alles passiert.“ Aber er sagt auch: „In Rio bin ich 31. Alle meine Verträge laufen bis 2016 - das ist für alle ein Entscheidungsjahr.“ Gehen dann nochmal vier Jahre - bis 2020 in Tokio? „Mit 36? Das ist locker drin.“
Doch 2024 sitzt „derHarting“, wie er sich auf seiner Homepage nennt, höchstens noch als Zuschauer im Olympiastadion. Vielleicht sogar in Berlin, die Hauptstadt bewirbt sich um die Sommerspiele. Konkurrent ist Hamburg, der DOSB entscheidet Mitte März 2015. Für Harting ist der Fall klar. „Das Berlin-Thema ist einfach momentan in Europa so ein heißer Pott. Die ist gerade echt in, die City“, sagt er und lacht, als hätte die Hauptstadt die Spiele schon. Berlin, Berlin! „Logisch, ich denke nicht, dass das Ergebnis anders ausfallen wird.“