Keine Eintagsfliege: Strutz bestätigt Sprungkunst
Kassel (dpa) - Stabhochspringerin Martina Strutz ist keine „Eintagsfliege“. Elf Tage nachdem die 29 Jahre alte gebürtige Schwerinerin den neun Jahre alten deutschen Rekord (4,78 Meter) geknackt hatte, flog sie in Kassel zu ihrem ersten nationalen Freiluft-Titel.
„Für mich läuft es im Moment überschwänglich“, freute sich die 1,60 Meter kleine Athletin, die in den vergangenen fünf Jahren von der Leichtathletik-Bildfläche so gut wie verschwunden war. „Man kommt aus dem Feiern und Gefeiertwerden gar nicht mehr raus.“
Der überraschende Aufschwung, der sie bei der Weltmeisterschaft (27. August bis 4. September) in Daegu/Südkorea beflügeln soll, sorgte auch in Kassel noch für Verblüffung. „So etwas habe ich in solch einem Maß noch nie erlebt. Das ist sehr, sehr erstaunlich“, meinte der zuständige Chefbundestrainer Herbert Czingon. „Ich weiß, dass auch Martina davon nicht geträumt hat.“ Schließlich sei sie 2010 gerade mal 4,30 Meter hoch gekommen. „Das Kraft-Last-Verhältnis war nicht optimal“, befand der Stabhochsprung-Experte.
Die neue „Leichtigkeit des Seins“ der blonden Athletin vom kleinen Club ESV Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern ist kein Geschenk des Himmels, sondern Resultat eines radikalen Wandels. Martina Strutz wechselte im Herbst 2009 zum neuen Trainer Thomas Schult und nahm dank Ernährungsumstellung zehn Kilogramm Körpergewicht ab. Aus einem Pummelchen wurde ein Kraftpaket, aus einem Auslaufmodell eine WM-Medaillenkandidatin. „Es war meine letzte Chance, noch eine hätte ich nicht gekriegt“, weiß die EM-Fünfte von 2005.
„Wenn ich stabil und konstant bleibe, dann könnte bei der WM etwas drin sein. Aber festlegen möchte ich mich nicht“, hofft Martina Strutz. Die 4,65 Meter, mit denen sie den Titel vor Silke Spiegelburg (Leverkusen) und Kristina Gadschiew (Zweibrücken/je 4,60) gewann, geben der angehenden Polizistin Auftrieb: „Luft nach oben ist auf jeden Fall da. Lassen wir uns mal überraschen.“
Betrübt, aber nicht traurig war die EM-Zweite Silke Spiegelburg darüber, von der „Frau aus dem Nichts“ überflügelt und bei der Rekordjagd ausgestochen worden zu sein. „Alle reden von einem Duell, doch mich hat in dieser Saison der Rekord nicht interessiert“, meinte Silke Spiegelburg. Nach einer Erkrankung im Frühjahr hat sie das Gefühl, dass es nun wieder aufwärts geht. „Ich komme eigentlich erst jetzt richtig in Fahrt“, sagte sie. Der Fahrplan zur WM stimme: „Das kleinste Ziel ist, in Daegu das Finale zu erreichen.“
Der Zweikampf zwischen den beiden starken Stabhochspringerinnen wird zunächst bei den Diamond-League-Meetings in Stockholm (29. Juli) und London (5. August) weitergehen. In Schwedens Hauptstadt treffen Strutz und Spiegelburg erstmals im „Doppelpack“ auf Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa, die sich in der vergangenen Woche aber in Lugano beim Aufwärmen an der Hand verletzte und nicht starten konnte.