Nerv getroffen: Verbände kritisieren TV-Politik
Düsseldorf (dpa) - Die Kritik der deutschen Leichtathleten an der Übertragungs-Politik von ARD und ZDF hat auch bei anderen Sportarten einen empfindlichen Nerv getroffen.
„Meiner Meinung nach dürfen sich die öffentlich-rechtlichen Sender nicht allein nach der Einschaltquote richten“, sagte Oliver Palme, der TV-Koordinator des Deutschen Ruderverbandes (DRV) der Nachrichtenagentur dpa. „ARD und ZDF sind von einem Gleichgewicht zwischen populären Sportarten wie Fußball und anderen Sportarten weit entfernt.“
Die deutschen Leichtathletik-Asse hatten in einem offenen Brief an alle Intendanten von ARD und ZDF Kritik am Verzicht auf eine Live-Übertragung der Weltmeisterschaften im Sommer in Daegu geübt. Sie forderten auch, die für den Sport bestimmten Gebühreneinnahmen „in einem angemessenen Verhältnis für die Vielfalt des Sports zu verwenden“ und nicht auf eine Sportart zu konzentrieren.
Unzufrieden mit der Gesamtsituation ist auch der DRV - bei allem Verständnis für die vielen Zwänge der Fernsehsender. „Wir sind gerade dabei, die Kontakte zu intensivieren. Wir wollen dem Wunsch der TV-Anstalten nachkommen und andere Formate anbieten“, erklärte Palme. Rein in die Städte und kürzere Distanzen wie in der Ruder-Bundesliga, lautet die Formel für eine bessere Fernseh-Zukunft.
Außerdem will der DRV zunächst informelle Gespräche mit anderen Sommersport-Verbänden führen, um - wie von ARD und ZDF gewünscht - die Wettkampftermine „besser zu synchronisieren“. Im Wintersport wird dies, angeführt von Biathlon und Skispringen, längst mit telegenem Erfolg praktiziert. Für Thomas Weikert, den Präsidenten des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB), ist das Wintersport-Modell ein Vorbild. „Die Wintersportler haben das gut organisiert“, meinte er.
Kritik äußerte Weikert, der zugleich Vorsitzender der AG Ballsport ist, an der ARD-Sportschau am Samstag. „Wir wissen, dass Fußball die Nummer eins ist. Wir akzeptieren das, sehen aber dort die anderen Ballspiele viel zu wenig abgebildet“, stellte der Rechtsanwalt fest. „Insgesamt sind wir nicht zufrieden.“ Gleichzeitig gibt er zu, dass Versuche, einen „Spiele-Nachmittag“ mit Ballsportarten wie Volleyball und Handball für das TV zu kreieren, nicht erfolgreich gewesen seien. Auch, weil die Wettkampflänge der Spiele nicht planbar sei.
Das Begehr der Fernsehsender nach Regel-Reformen in Sportarten, um die Attraktivität zu steigern und sie TV-kompatibler zu machen, sieht Weikert zwiespältig. Denn Tischtennis hat schon zahlreiche Regeln geändert - eine neue Zählweise oder größere Bälle -, ohne dass es mehr Fernsehzeit für gab. „Der Prozess ist noch im Gang“, so Weikert.
Ähnlich ist es bei den Volleyballern. Um die Spielzeit abschätzbarer zu machen, werden bei jedem Ballwechsel und nicht wie zuvor nur beim Aufschlag Punkte vergeben. „Lange Live-Strecken sind momentan noch unrealistisch“, sagte Thilo Hagen, Sprecher des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV). Ein Gespräch mit den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten vor zwei Wochen habe Hoffnung gegeben, „die TV-Präsenz von Volleyball zu steigern“. Zumindest in den dritten Programmen oder in den Nachrichten, so Hagen.
Vernachlässigt fühlt sich der Deutsche Basketball-Bund (DBB) von ARD und ZDF. „Der DBB kann mit der Situation nicht zufrieden sein“, klagte DBB-Präsident und DOSB-Präsidiumsmitglied Ingo Weiss. Seit Jahren spiele nicht einmal die Nationalmannschaft eine Rolle. Die Hinweise auf Quoten hätten für ihn beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen keine Relevanz: „Ansonsten würde ich auch manch andere Ausstrahlung nicht verstehen.“
Einfach haben es auch die Schwimmer nicht mehr, ins Fernsehen zu kommen - trotz Zugeständnissen ans TV. Bei den deutschen Meisterschaften 2009 und 2010 fanden die Finals mit den Stars in einer Stunde am Samstag- und Sonntagnachmittag statt. Die TV-Quoten waren wohl gut, die Athleten nicht zufrieden: Mehrfachstarter hatten kaum Pause zwischen den Rennen. „Soweit es sportfachlich irgendwie geht, richten wir uns schon nach den Vorstellungen des Fernsehens“, sagte Schwimm-Verbandschefin Christa Thiel.
Eine kleine olympische Sportart wie Gewichtheben hat keinen Spielraum zum Anpassen an ein TV-Format, dafür aber einen Star, der auch ARD und ZDF lockt. „Wenn Matthias Steiner an die Hantel geht, ist das Fernsehen da“, sagte Gewichtheber-Präsident Klaus Umbach, der jedoch kritisierte: „Kleine Sportarten werden fast nicht mehr rübergebracht.“ Es sei denn, man hat einen Olympiasieger wie Steiner. „Man kommt nur ins Fernsehen, wenn man ein Zugpferd hat“, so Umbach.