Pomp und Pathos um Bolt in London
London (dpa) - Inmitten von Dopingnachrichten feiert die Leichtathletik ihren Superstar Usain Bolt wie einen Messias. Auf einer Rakete auf Rädern drehte der Weltrekordler beim Diamond-League-Meeting im Londoner Olympiastadion eine Runde.
Drei Stunden nach seiner Präsentation mit Pomp und Pathos rannte der 26-jährige Jamaikaner die 100 Meter so schnell wie noch nie in diesem Jahr - und das nach einem „entsetzlichen Start“, wie Bolt nach seiner WM-Generalprobe jammerte.
Auch ohne Düsenantrieb war der sechsfache Olympiasieger nach 9,85 Sekunden im Ziel. Damit liegt in der Weltjahresbestenliste nur noch Tyson Gay (9,75) vor ihm. Den Amerikaner muss Bolt bei den Weltmeisterschaften vom 10. bis 18. August in Moskau aber nicht fürchten. Gay kommt um eine Dopingsperre wohl nicht herum.
Nachdem er am 14. Juli bestätigt hatte, bei einer Trainingskontrolle positiv getestet worden zu sein, ist er nun endgültig überführt: Die amerikanische Nachrichtenagentur AP meldete wenige Stunden nach Bolts Sieg in London, dass auch die B-Probe Gays positiv sei. Zudem soll der Dreifach-Weltmeister von 2007 mindestens ein weiteres Mal - nämlich bei seinen 100- und 200-Meter-Erfolgen bei den US-Meisterschaften - den Dopingfahndern ins Netz gegangen sein.
Da auch Bolts Landsmann, der Ex-Weltrekordler Asafa Powell, als derzeit viertbester Sprinter positiv getestet worden ist, und Titelverteidiger Yohan Blake (ebenfalls Jamaika) verletzt ist, hat der Topstar für die WM immer weniger Konkurrenten. Gleichzeitig steht er seit dem Skandal um Gay und Powell unter noch schärferer Beobachtung, das Misstrauen angesichts seiner Leistungen ist weiter gewachsen. Schon vor seinem Start in London musste sich Bolt viele Fragen gefallen lassen. „Ich bin sauber“, betonte er.
Nach dem Rennen sagte Bolt zu den Journalisten: „Ihr seid hier, um den Leuten zu sagen, dass dieser Sport Usain Bolt braucht oder was auch immer. Aber ich bin nur hier, um mein Bestes zu geben und der Welt zu beweisen, dass es möglich ist, sauber zu rennen und hart zu trainieren und fokussiert zu sein.“ Er versuche dem Sport zu helfen und ihn in ein gutes Licht zu stellen - „deshalb bin ich hier“.
Bolt war ein Jahr nach seinem Dreifach-Triumph bei den Olympischen Spielen an gleicher Stelle „leicht nervös. Als ich draußen war und gesehen habe, dass es brechend voll ist und es eine Energie gab wie bei den Olympischen Spielen, war es einfach nur wunderbar.“ Genau zwölf Monate nach der Eröffnungsfeier der Sommerspiele erlebten 60 000 Zuschauer in der ausverkauften Arena, wie Bolt einen miserablen Start erwischte. Er schwankte hin und her und erweckte wieder einmal den Eindruck, als sei er mit seinen 1,95 Meter einfach zu lang, um seine Körpergröße auf die Schnelle zu einem solchen menschlichen Geschoss zu entfalten.
Der 1,67 Meter kleine Amerikaner Michael Rodgers (9,98) raste erst einmal dem Favoriten davon, wurde am Ende aber in 9,98 Sekunden nur Zweiter vor Nesta Carter (9,99/ebenfalls Jamaika). „Ich denke, es ist nur Rennrost“, sagte Bolt zu seinen Schwierigkeiten. „Ich brauche noch ein paar Rennen. Die Runden bei der WM werden mir helfen, um freie Beine zu bekommen und leichter in Gang zu kommen.“ Er fahre jetzt jedenfalls zuversichtlich nach Moskau - wenn er nicht auf einer Rakate dort hinfliegt.