Sprint-Showdown: Was spricht für Bolt oder Gatlin?

Peking (dpa) - Usain Bolt ist bereit, Justin Gatlin ebenfalls: Im 100-Meter-Finale am Sonntag (15.15 Uhr MESZ) fällt die mit Abstand bedeutendste und meistdiskutierte Entscheidung der Leichtathletik-WM in Peking.

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WAS FÜR BOLT SPRICHT:

Sein Mythos überstrahlt alles: Der Jamaikaner ist achtmaliger Weltmeister, sechsmaliger Olympiasieger sowie Weltrekordhalter über 100, 200 und 4 x 100 Meter. Deshalb gibt er sich in Peking auch cool - obwohl er in diesem Jahr wegen Rückenproblemen teils wochenlang nicht voll trainieren konnte. Bolt hat ein enormes Selbstbewusstsein und viel Erfahrung. „Ich mache diesen Sport nun schon lange Zeit und habe viel gesehen“, sagte der 29-Jährige. „Ich würde sagen, dass ich mich verändert habe. Ich bin ein anderer, aber verbesserter Usain.“ Viele sagen: Wenn Bolt nicht absolut siegessicher und fit wäre - dann wäre er nicht in Peking.

WAS FÜR GATLIN SPRICHT:

Der Mann glaubt an sich! Sowohl über 100 Meter (9,74 Sekunden) als auch über 200 Meter (19,57) rannte er so schnell wie nie und so flott wie kein anderer in dieser Saison. Seit 2014 ist er nun schon in 26 Rennen über beide Strecken ungeschlagen. Er ist besser vorbereitet und hat mehr Wettkampfpraxis als Bolt - deshalb trauen ihm viele das Kunststück zu, zehn Jahre nach seinem Sieg 2005 noch einmal WM-Gold zu erobern. Nach zwei Dopingsperren misstraut ihm aber fast jeder in der Leichtathletik, doch Gatlin blendet auch das aus. „Ich trainiere doch nicht so hart, dass ich kotzen muss, nur um dann rauszugehen und die Lorbeeren einem anderen zu überlassen“, sagte er einmal.

WIE DIE BEIDEN RIVALEN SICH VERSTEHEN:

Es ist kaum zu glauben bei der Rivalität, die sonst meist unter den größtes Egos der Leichtathletik-Welt herrscht: Aber Bolt und Gatlin verbindet ein großer, gegenseitiger Respekt. Der Amerikaner hat Bolt einmal als den Mann bezeichnet, „der unseren Sport auf den Mars gebracht hat“. Der Superstar aus Jamaika wiederum hat den vermeintlich stärksten Gegner seiner Karriere nie für seine Doping-Vergangenheit kritisiert. Er hat das bei Ex-Weltmeister Tyson Gay getan, er mag auch seinen Landsmann Asafa Powell nicht. Dass Gatlin trotz einer vierjährigen Dopingsperre und seines Alters noch einmal in den Bereich von 9,7 Sekunden vorgedrungen ist, nötigt Bolt Respekt ab.

WAS FÜR DIE ANDEREN SPRICHT:

Im Finale sprinten die acht schnellsten Männer der Welt, doch Außenseiterchancen hinter Bolt und Gatlin dürften höchsten noch Asafa Powell und Tyson Gay haben. Powell war schon mal Weltrekordler, Jamaikas Teamkapitän ist in diesem Jahr der zweitschnellste Mann hinter Gatlin. „Ich bin in sehr guter Form“, sagte er in Peking. Gatlins Landsmann Gay bräuchte einen Traumtag für (s)einen Traumtitel. So wie 2007 in Osaka, als er über 100, 200 und 4 x 100 Meter triumphierte. 9,87 Sekunden rannte er in dieser Saison schon - genauso schnell wie Bolt. Allerdings waren Powell und Gay ebenfalls schon einmal wegen Dopings gesperrt.

WAS DIE STATISTIK SAGT:

Die letzten drei Weltmeister in der prestigeträchtigsten Leichtathletik-Disziplin kamen aus Jamaika: Usain Bolt gewann 2009 und 2013, sein Fehlstart in Daegu machte 2011 den Weg für Yohan Blake frei. Seit der WM-Premiere 1983 holten die US-Sprinter bei 14 Titelkämpfen acht Goldmedaillen, zwei schafften sogar den Hattrick: Legende Carl Lewis (1983, 1987, 1991) und Maurice Greene (1997, 1999, 2001). Kürzer als ein Wimpernschlag war der knappste Vorsprung, den ein Weltmeister je hatte: acht Tausendstelsekunden. Überraschungs-Weltmeister Kim Collins aus St. Kitts und Nevis stürmte 2003 in Paris in 10,065 Sekunden ins Ziel - aufgerundet auf 10,07. Zweiter wurde Darrel Brown aus Trinidad und Tobago.