Bradl über Podestplätze: „Momentan schwierig“
Leipzig (dpa) - Stefan Bradl ist auch in dieser Saison Deutschlands einziger Vertreter in der Königsklasse der Motorrad-Straßen-Weltmeisterschaft. An diesem Wochenende startet der Bayer beim Grand Prix der Niederlande in Assen.
Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa zieht er eine erste Zwischenbilanz, erklärt seine Situation und wagt einen Ausblick auf die WM-Läufe der nächsten vier Wochen.
2013 ist Ihr zweites Jahr in der MotoGP. Sie fahren im gleichen Team wie 2012, haben praktisch dasselbe Motorrad, kennen alle Rennstrecken und haben sich an das Drumherum gewöhnt - da liegt die Vermutung nahe, dass Ihnen die Sache jetzt leichter von der Hand geht. Doch die Ergebnisse sprechen eine andere Sprache. Platz acht ist zwar genauso gut wie im Vorjahr nach sechs Rennen, aber nur 41 statt 51 WM-Punkte - haben Sie mit Problemen zu kämpfen?
Bradl: „Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass wir zu oft runtergefallen sind. Wir sind in Katar ausgeschieden und haben in Jerez einen Nuller gemacht - vergangenes Jahr sind wir da Achter oder Neunter gewesen und haben ein paar WM-Punkte mitgenommen. Aber der Anspruch ist dieses Jahr ein bisschen anders, da kann man mit so einer Platzierung nicht mehr zufrieden sein. Deshalb habe ich wohl bei den ersten Rennen etwas zu viel riskiert, was dann im Kiesbett endete.“
Aber Sie dürften doch keine Schwierigkeiten damit haben, die Technik und sich selbst auf die Rennstrecken einzustellen?
Bradl: „Wir haben bei ein paar Rennen andere Probleme gehabt als erwartet, speziell in Katar und Jerez, wo die Grip-Verhältnisse für uns einfach zu schlecht waren. In Katar war es der Sand auf der Strecke, mit dem ich als Fahrer vielleicht mehr zu kämpfen hatte als andere. In Jerez war es einfach zu heiß für das Vorderrad.“
Ist es ein Ausdruck der höheren Erwartungen, dass Sie Ihr Risiko so weit erhöhen, bis es zum Sturz kommt?
Bradl: „Nicht unbedingt. Es darf nicht vergessen werden, dass die Konkurrenz noch dichter zusammengerückt und im Vergleich zum vorigen Jahr stärker geworden ist. Marc Márquez hat den zurückgetretenen Casey Stoner im Honda-Werksteam voll ersetzt, Valentino Rossi ist auf die Yamaha zurückgekehrt, Cal Crutchlow ist in seinem dritten Jahr deutlich besser geworden. Das hat die Sache für mich nicht einfacher gemacht.“
In einigen Medien wurde berichtet, dass Honda dieses Jahr allen Fahrern ihrer MotoGP-Prototypen identische Motorräder liefern will. Stimmt das?
Bradl: „Dass Honda das gesagt hat, stimmt. Aber ob sie es getan haben - da fragen Sie den Falschen. Ich glaube, dass ich sehr gut versorgt bin. Aber welche Teile in den Motorrädern der offiziellen Werksfahrer Márquez und Dani Pedrosa stecken, wird mir wohl auch nicht bekannt.“
Angenommen, die Motorräder des Werksteams wären mit Ihren identisch - hätten die Werksfahrer dann nicht immer noch den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu dem Privatteam von Lucio Cecchinello, für das Sie fahren, auf das geballte Ingenieurswissen des Weltkonzerns Honda zurückgreifen können?
Bradl: „Ein Werksteam ist ein Werksteam. Da wird auch in Bereichen extrem investiert, in denen Honda Entwicklungs- und Verbesserungsbedarf sieht. In einem Satellitenteam dauert es natürlich immer etwas länger, bis wir entsprechend reagieren können.“
Sie hatten bei Honda auch dadurch ein gutes Gefühl, weil Shuhei Nakamoto, der Vizepräsident der Honda-Rennabteilung HRC, sich als Fan von Ihnen geoutet hat. Jetzt scheint es für Nakamoto nur noch Márquez zu geben. Ärgert Sie das?
Bradl: „Márquez hat bei den ersten Rennen der Saison gute Leistungen gezeigt und ist auch in der Weltmeisterschaft ganz vorne dabei. Das ist zwar unerwartet, aber er macht einen guten Job, und das muss man anerkennen.“ Fühlen Sie sich bei Honda in die zweite Reihe gedrängt?
Bradl: „Die Betreuung ist nach wie vor gut. Ich vermisse nichts.“
Mit Assen und dem Grand Prix auf dem Sachsenring stehen als nächstes zwei Rennen an, zu denen traditionell viele deutsche Fans reisen. In Assen hätten Sie sich vergangenes Jahr fast für die erste Startreihe qualifiziert, stürzten aber im Rennen. Auf dem Sachsenring wurden Sie Fünfter. Was dürfen die Fans diesmal erwarten?
Bradl: „In Assen bin ich gut zurechtgekommen, ich hoffe, dass das auch dieses Jahr wieder gelingt. Da wir in der WM-Tabelle einiges aufzuholen haben, müssen wir schon schauen, dass wir unter den ersten fünf, sechs ins Ziel kommen. Ich bin Realist und auch selbstkritisch. Es ist im Moment schwierig, von einem Podestplatz zu reden. Das war zwar unser erklärtes Ziel, aber nach dem bisherigen Verlauf der Saison müssen wir wohl mit fünften und sechsten Plätzen auch zufrieden sein. Das gilt auch für den Sachsenring.“
Haben Sie am Sachsenring den viel beschworenen Heimvorteil?
Bradl: „Das ist schwierig. Natürlich ist die Motivation da, mit der Anfeuerung durch die Zuschauer. Man bemerkt die Unterstützung der Fans ganz deutlich, das ist schon etwas Besonderes. Ich muss aber den richtigen Mix finden, darf weder zu übermütig noch zu lässig an die Sache herangehen.“